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Wir beide nahmen die Muschel

Wir beide nahmen die Muschel

Titel: Wir beide nahmen die Muschel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Hendrix
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Nach
einer halben Stunde erreichen wir Fresno del Camino. Über einen kleinen Hügel
geht es nach Oncina de la Valdoncina. Nun steigt der Weg an und wir erreichen
eine Hochebene. Wir haben den Großraum León überwunden. Nun sind wir wieder
allein in dieser wunderschönen Natur. Es begleiten uns wieder unzählige
blühende Ginstersträucher, Klatschmohn und so viele unbekannte Blumen, dass man
damit viele Blumengeschäfte füllen könnte. Nach gefühlten unendlichen Stunden
erreichen wir Villar de Mazarife, ein größeres Dorf mit 450 Einwohner und drei
Albergues. Schon weit vorher machte eine Albergue sehr stark Reklame für sich.
Helga hatte sich so ein Blatt mitgenommen und liebäugelte damit. Die erste war
total unsauber, bei Helgas Albergue stimmte das Preisleistungsverhältnis nicht.
Verständlich, dieser riesige Reklameaufwand schon zwanzig Kilometer vorher und
an jedem Rastplatz muss ja auch bezahlt werden. Wir buchten zwei Betten in der
privaten Albergue »San Antonio de Padua« mit vegetarischem Abendessen und
Frühstück für je 19,00 Euro, was will das Pilgerherz noch mehr? In einem sehr
großen Schlafsaal suchten wir uns ein Eckbett aus, so konnte uns in der Nacht
auch keiner beim Toilettengang stören. Helga legte sich zu einem Nickerchen,
ich stürmte die Dusche. Die Bodenfließen waren spiegelglatt und in der Dusche
fehlte der Duschkopf. Egal aus dem Schlauch spritze warmes Wasser, mehr will
ich nicht. Abgetrocknet und angezogen. Das ist das schönste am Ende der
Wanderung, eine saubere Hose und meine Sandalen anziehen. Viele laufen tagelang
mit den gleichen Klamotten auf dem Pilgerweg und auch abends zum Essen. Ich
mache einen Bummel durch diesen sehr alten Ort. Fast alle Häuser sind
Lehmbauten. Manche sehr gepflegt. Ich schaue mir an, in welcher Richtung der
Weg morgen weiter geht. Eine Pracht waren die drei großen Storchennester auf
dem Kirchturm. Alle waren besetzt und hatten zwei Jungtiere. Das Muttertier
verlässt nie das Nest. Mit lautem Geklapper wurde der Ernährer begrüßt, wenn er
mit Nahrung zurückkam. Manchmal brachte er auch einen langen Stock mit, um das
Nest auszubessern. Das kleine Gotteshaus war offen und ich ging erfreut hinein.
Es war von innen so alt, bei uns hätte man daraus sofort ein Museum gemacht.
Herrlich so etwas zu erleben. Gegenüber war »Helgas Albergue Tio Pepe mit
Restaurant«. Ein großes Bier, darauf hatte ich Lust. Ich war der einzige Gast
im Lokal. Eine Bedienung war nicht zu sehen. Nach einer großen Wartezeit konnte
ich meine Bestellung aufgeben. Zum warten war ich eigentlich nicht gekommen.
Ich bekam mein Bier und bezahlte 3,00 Euro. Wie stand in meinem Unterkunftsverzeichnis
»lieblos und überteuert, nicht zu empfehlen«. Ich hatte wieder einmal den
richtigen Riecher gehabt. Kurz vor 16:00 Uhr bin ich wieder in unserer Albergue
zurückgegangen. Vor dem Haus eine wunderschöne gepflegte Anlage mit vielen Liegestühlen.
Nun habe ich Zeit zum Schreiben. Leider hat die Herbergsmutter nicht alle
Stühle trocken geputzt. Ich war der erste, welche sich eine nasse Hose holte.
Der nächste, welcher das Glück hatte, war ein deutscher Pilger. Er hatte sich
für seinen Liegestuhl gleich drei Auflagen genommen, aber nicht bemerkt, dass
sie Wasser gesogen hatten. Er legte sich genussvoll hin und sprang wie von
einer Tarantel gestochen auf. Erst jetzt bemerkte ich die schadenfreudigen
Blicke der anderen. Alle hatten es gewusst, aber nichts gesagt. Schadenfreude
ist doch die schönste Freude. Weit hinter uns ein neues Unwetter, vielleicht
dort, wo wir am Morgen losgegangen waren. Aus der Ferne höre ich das heftige
Gewitter und sehe wie der Regen niederfällt. Wie sagen die alten Leute bei uns,
ein Gewitter kommt gerne drei Tage. Mal sehen, wie lange wir hier draußen noch
sitzen können. Auch für die nächsten Tage hat man nicht das beste Wetter
gemeldet. Viele Pilger sitzen mit mir zusammen in dieser gepflegten
Gartenanlage und beobachten die heranziehenden Wolken. Ich schreibe und genieße
meinen Wein. Am schönsten sind die interessanten Gespräche, welche man mit den
anderen Pilgern führt. Viele haben Fuß- und Knieprobleme. Manche haben genau
wie wir schon vorher den Rückflug gebucht und haben sich dabei überschätzt.
Vielleicht müssen sie das letzte Stück mit dem Bus fahren um rechtzeitig in
Santiago anzukommen. Mal sehen, ob meine Mitpilgerin im Haus ist. Wenn wir in
einer Albergue ankommen macht jeder sein eigenes Programm und das ist gut so.
Jeder soll

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