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Wir beide nahmen die Muschel

Wir beide nahmen die Muschel

Titel: Wir beide nahmen die Muschel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Hendrix
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seine persönliche Freiheit haben. Das schlimmste wäre, wenn ich sie
einengen würde, dann wäre unser gemeinsamer Pilgerweg bestimmt sehr schnell
beendet. Wir machen einen gemeinsamen Bummel durch den Ort. Ich zeige ihr die
Albergue »Tio Pepe«, welche uns zum Glück erspart blieb. Wir besuchten einen
kleinen Dorfladen und kauften ein paar Kleinigkeiten. Wir wollen nichts
Unnötiges auf unserem Weg mitschleppen. Um 19:00 Uhr gab es Abendessen. Als
Vorspeise bekamen wir beide einen großen Salatteller. Am besten schmecken mir
die Tomaten, sie schmecken auch als solche. Als Hauptgericht gab es Paella. Da
unser Hospitalero streng vegetarisch kocht, leider ganz ohne Meeresfrüchte, er
hatte als Ersatz Möhren genommen. Eine riesengroße Pfanne setzte er auf einem
Beistelltisch. Jeder bekam von ihm einen gut gehäuften Teller. Wer danach noch
Hunger hat kann sich selber bedienen sagte er uns lachend. Nun aber probiert.
Paella mit Möhren eigentlich unvorstellbar. Sie war sehr schmackhaft, es kommt
eben auf die Zubereitung an. Wir holten uns auch noch den zweiten Teller. Eine
gute Flasche Vino Tinto rundete alles ab. Schon sehr früh begannen wir unsere
Bettruhe und das war ein großer Fehler. Wir hatten wieder ein männliches
Rhinozeros im Saal und das schnarchte die ganze Nacht ohne Pause.

Villar
de Mazarife — Hospital de Órbigo
     
    14,5 km, 20
m Anstieg, 55 m Abstieg
    Samstag den
14. Mai 2011
     
     
    U m 6:00 Uhr
war unsere Geduld zu Ende. Wir konnten kein Sägen mehr hören. Wir nahmen unser
Frühstück ein und waren um 7:30 Uhr auf dem Pilgerweg. Das Gewitter und der
Regen gestern hatten unseren Ort nicht erreicht, wir merkten aber noch die
Nachwirkungen. Es war sehr bewölkt und stark abgekühlt, hoffentlich bleibt es
trocken. Heute werden unsere Gelenke besonders belastet. Fast anderthalb
Stunden sind wir über eine asphaltierte Landstraße gewandert, bis diese in
einem Feldweg mündete. Durch die tiefhängenden Wolken ist auch unsere Stimmung
etwas bedrückt. Wir trennen uns und gehen auf Sichtkontakt. Zur rechten Seite
in der Ferne erhob sich ein Gebirge, ich schätze ca. 30 km von uns entfernt.
Schneeweiße Wolken flössen wie Wasserwellen von den Gipfeln nach unten. Es war
gespenstisch anzusehen. Trotz der Entfernung merkten wir, wie der Wind sehr
kalte Luftmassen zu uns trug. Zu unserem Glück trieb der Wind diese
Schlechtwetterfront vor uns her. Ich warf einen Blick zurück, die Sonne kam mit
hunderten Strahlenbündeln durch die dunklen Wolken. Die Landschaft hat sich
seit gestern total verändert. Trafen wir vor Tagen noch einen Hirten mit seinen
Schafen, so haben wir uns nun endgültig von der Meseta verabschiedet. Wir
befinden uns zwar immer noch auf einer Höhe von 834 Meter, aber der Baumbestand
wird größer und manchmal gibt es sogar kleine Wälder. Nach 45 Minuten
erreichten wir Villavante und machten eine größere Pause. Endlich eine
Toilette, nichts wie hinein. Doch oh Schreck, es war eine uralte Latrine mit
einem Loch im Boden und total verdreckt. Noch nicht einmal zwei Griffe um sich
festzuhalten. Es gab kein Zurück mehr, mit viel Ekel und trotzdem erlöst habe
ich sie verlassen. Schnell ein Bier sonst überlebe ich das nicht. Als Helga
auch diesen Ort aufsuchen wollte, sagte ich zu ihr, nur über meine Leiche. Sie
war sehr dankbar für meinen Rat. Wir saßen günstig und haben die Gesichter der
Pilger beobachtet wenn sie von der Toilette kamen. Zum Glück hatten wir in
diesem Lokal nur etwas zu trinken bestellt. Wir verließen sehr schnell dieses
ungastliche Haus. In einem weiten Bogen überquerten wir die Autobahn, in einem
weiteren großen Bogen kommen wir unserem Ziel näher. Über eine alte Brücke
gingen wir über den Río Órbigo. Ein Stück weiter führte uns eine zweite
mittelalterliche Brücke über den gleichen Fluss. Sie hat zwanzig Bögen mit
einer Gesamtlänge von dreihundert Metern. Sie ist die längste Brücke am
Jakobsweg. Erbaut wurde sie auf alten römischen Fundamenten im 10./11.
Jahrhundert. Zurzeit ist sie eine Großbaustelle, sie wird sehr aufwendig
restauriert. Trotzdem ist es auch jetzt noch ein Erlebnis sie zu begehen.
Unterhalb der Brücke war man dabei, eine riesige Tribüne für Ritterspiele zu
errichten. Wir sind nun schon mitten im Zentrum von Hospital de Órbigo, einem
kleinen Städtchen mit 800 Einwohnern. Ein kurzer Blick in mein
Unterkunftsverzeichnis, scheinbar haben wir einen Glückstag. Sehr empfohlen
wurde die Albergue »San Miguel«. Es soll einer

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