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Wir beide nahmen die Muschel

Wir beide nahmen die Muschel

Titel: Wir beide nahmen die Muschel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Hendrix
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der schönsten Albergues am Weg
sein, nichts wie dahin. Nach mehrmaligem Fragen haben wir sie gefunden. Ein
großer Pilger aus Holz sitzt im Eingangsbereich auf einer Bank, daneben steht eine
sehr schöne große Jakobusfigur. Alles sieht sehr einladend aus. Ein
freundlicher Hospitalero begrüßt uns und nimmt unsere Daten auf. Für je 10,00
Euro buchen wir Übernachtung und Frühstück. Nachdem wir unsere Stöcke und
Schuhe abgestellt hatten, ging es hoch in die erste Etage zum Schlafsaal. Das
Haus hat 82 Betten in zwei Schlafsälen, die Hälfte der Betten ist schon belegt.
Schnell geduscht, rasiert und umgezogen. Es ist erst zwölf Uhr und wir haben
viel Zeit für eigene Planungen. Zuerst möchte ich mir in Ruhe das interessante
Haus ansehen. Der erste Eindruck des Hauses war überwältigend, es war wie in
einer Gemäldegalerie. In einem großen Raum laden zwei lange Tische zum Sitzen
und Schreiben ein. In einer Ecke steht eine große Staffelei mit Leinwänden in
allen Größen, Pinsel und vielen Farbtuben und lädt jeden Hobbykünstler zum
Malen ein. An der gegenüberliegenden Wand eine Bibliothek, mit zwei gemütlichen
Sessel. An allen Wänden des Hauses hängen ungezählte herrliche Gemälde. Als
Motive sehr oft die jährlichen Ritterspiele, die alte Brücke und natürlich
Bilder vom Jakobsweg. Ich kann mich einfach nicht sattsehen an diesen
herrlichen Bildern. Viele begnadete Künstler müssen hier übernachtet haben.
Dahinter eine große gemütliche Küche mit einem großen Tisch für viele Personen.
Dahinter der offene Innenhof mit mehreren Waschbecken, wo jeder seine Wäsche
mit kaltem Wasser von Hand waschen kann und mehrere Tische mit Stühlen zum
gemütlichen Beieinandersitzen. Hier kann man sich über den Camino, das Wetter,
seine Wehwehchen oder über seine persönlichen Probleme unterhalten. Ich denke,
dieser Innenhof hat mehr gehört als mancher Beichtstuhl in einer Kirche. Ich
setze mich in die Bibliotheksecke, schreibe an meinem Buch und werfe einen
Blick in das Gästebuch. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass wir in den
fünf Wochen nur einmal etwas Nettes in ein Gästebuch geschrieben hatten. Wir
hatten an einem Tag eine sehr schöne Albergue, da stimmte einfach alles. Die
letzte Eintragung in ihrem Buch aber war so negativ gewesen, dass wir uns beide
sehr darüber geärgert hatten. Helga hat darauf ihre Meinung über diesen Pilger
ins Buch geschrieben. Er konnte von Glück sagen, dass er es nicht mehr zu lesen
bekam. In diesem Gästebuch hier sind Eintragungen von den letzten vierzehn
Monaten. Viele Pilger haben ihren Dank zum Ausdruck gebracht. Ich schlage die
nächste Seite um und finde dort etwas für mich ganz besonderes, ein rotes Herz
mit einer Eintragung. Bevor ich diese Seite weiter erkläre muss ich zuerst eine
Vorgeschichte erzählen. Wir haben mit dem heutigen Tag 513 km in Wind und
Wetter gemeinsam hinter uns gebracht. Ich denke im Moment an unseren ersten
Pilgertag von Saint-Jean-Pied-de-Port nach Roncesvalles. An zwei Stellen war
dieses rote Herz auf Hinweisschilder geklebt worden. An allen folgenden Tagen
haben wir es wieder gesehen. Manchmal war es mit einer Schablone auf einem
Caminostein aufgesprüht, öfters jedoch aufgeklebt. Wie oft haben wir über
dieses kleine Herz unsere Gedanken schweifen lassen. »Schau mal Helga, schon
wieder dieses kleine Herz. Ich denke zwei total verliebte sind gemeinsam diesen
Weg gegangen, wann mag das wohl gewesen sein? Vielleicht im Heiligen Jahr 2010,
der Aufkleber sieht noch so neu aus? Ich denke so eine starke Liebe wird ewig
halten. Die werden bestimmt den Bund der Ehe eingehen.« »Oh mein Gott Heinz,
was bist du für ein Romantiker. Ich denke die beiden sind gemeinsam in
Saint-Jean-Pied-de-Port gestartet und sie haben sich total verkracht. Nun
trauert sie ihrer unglücklichen Liebe nach und klebt überall auf dem Weg ihr
Herz.« Nun sitze ich hier und finde im Gästebuch dieses Herz, genau das gleiche
wie auf unseren Wegen. Unter diesem hat eine unbekannte Person halb in Deutsch,
halb in Englisch geschrieben:
     
     
    Vielen Dank für all die Liebe,
die ich hier gefunden habe.
     
     
    Es wird für uns für immer ein
ungelöstes Rätsel bleiben. Ich finde es wunderbar, dass wir auf all unsere
Fragen nicht immer eine Antwort erhalten. Wie schön ist doch das Leben, wenn es
irgendwo noch Geheimnisse gibt.
     
     
    Auf der nächsten Seite finde
ich einen Eintrag, welcher sehr unleserlich geschrieben ist:
     
     
    So ruhig gehe ich meinen

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