Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wir beide nahmen die Muschel

Wir beide nahmen die Muschel

Titel: Wir beide nahmen die Muschel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Hendrix
Vom Netzwerk:
habe es mir dann doch
verbissen. Helga regelte es diplomatischer. »Nur in kirchlichen Albergues sind
diese Einrichtungen getrennt. In manchen Klöstern schlafen Männer und Frauen
sogar in getrennten Räumen. Dies hier ist eine private Albergue, da gibt es
keine getrennten Duschräume. Die Duschzelle ist abschließbar und groß genug zum
Ausziehen und Duschen.« Sie war trotzdem nicht zufrieden. Wir haben noch lange
über diese dumme Person gelacht.
    Heute auf
unserem Weg hatte ich mich wie so oft an den sehr schönen Wolken erfreut.
Manchmal dachte ich, wir bekommen einen kräftigen Regenguss. Zu unserem Glück
schüttete es erst am späten Nachmittag, wenn wir unser Ziel erreicht hatten. An
manchen Tagen hatte ich am Morgen schon meine Regenhose angezogen und es war
nicht nötig gewesen. Kurze Zeit nach unserem Weggang kamen die ersten
Sonnenstrahlen und es dauerte nicht lange und der Himmel war wolkenlos. So
langsam habe ich mich auf das Klima eingestellt. Auf unserem Weg durch den Ort
hatten wir an zwei Häusern einfache Papierschilder gesehen, wo jemand mit einen
Tuschestift »Menú del Dia« (Menü des Tages) drauf geschrieben hatte. Vielleicht
gibt es heute Abend für uns eine Überraschung. Zwischen Bar und Herberge ist
eine Terrasse mit Tischen und Sonnenschirmen, das Richtige für mich zum
Schreiben und mich mit anderen Pilgern zu unterhalten. Sehr oft gab es dabei
etwas zu lachen. Manchmal trifft man herrliche Menschen, welche eine besondere
Fröhlichkeit ausstrahlen. So erzählte ich ihnen, dass wir an unseren Rucksäcken
eine Deutschlandfahne hängen haben. Wie oft sind wir auf unserem Weg schon von
Menschen angesprochen worden? Ein älterer Mann hatte uns erzählt, dass er
früher zwanzig Jahre in München gearbeitet hätte und heute vom deutschen Staat
eine Rente beziehen würde. Er würde noch sehr oft von dieser schönen Zeit
träumen. Welchen Beruf wir er wohl bei uns ausgeübt haben? Auch seine Tochter
würde schon viele Jahre in Frankfurt arbeiten und sie wäre sehr zufrieden. Ein
alter Mann war einmal sehr lange mit seinem Fahrrad neben uns gegangen und
hatte uns von seinen Arbeitsjahren in Deutschland erzählt. Ein anderer hatte
uns sehr lange durch León begleitet. Sind wir genau so freundlich zu unseren
Gastarbeitern? Ich glaube nicht! Ich glaube wir müssen noch viel mehr umdenken,
wir sind nicht die Welt. Wenn uns solche Menschen ansprechen, lassen wir uns
Zeit für eine Unterhaltung. Wir machen ihnen eine Freude und uns bringt dies
unendlich viel. Solche Gespräche speichert man in seinem Herzen. So schön kann
der Camino sei. Immer wieder fällt heute hier am Tisch der Satz, wir sind hier
als Ausländer in diesem Land und werden vom Großteil der Bevölkerung freundlich
behandelt. Ein ganz klein wenig Spanisch wird schon erwartet, zehn Wörter
reichen schon vollkommen aus und man wird überall weitergeholfen. Es ist 16:45
Uhr, ich habe meinen Bericht geschrieben und werde mich jetzt zum ersten Mal
auf unserem Pilgerweg bis zum Abendessen etwas hinlegen, der Tag war für mich
sehr anstrengend. Um 19:00 Uhr trieb uns der Hunger hinaus. Ein kurzes Stück
weiter stand auf einer Tafel geschrieben »wir sprechen Deutsch«, nichts wie
hinein. Wie oft hatten wir ein Restaurant betreten und der Kellner hatte nur
Spanisch gesprochen. Auf der Speisekarte konnten wir die einzelnen Blöcke:
Vorspeise, Hauptgericht und Nachtisch erkennen, nur lesen konnten wir die
einzelnen Gerichte nicht. Wir hatten dann ein Überraschungsessen bestellt und
als es serviert wurde, herzhaft gelacht. In diesem Restaurant kam die junge
Wirtin aus Österreich und ihr Partner hatte von ihr schon vieles an deutscher
Sprache gelernt. Zuerst bestellten wir uns ein großes Bier gegen unseren Durst.
Helga bestellte danach ein alkoholfreies Mixgetränk. Jeder Tag versuche ich sie
zu überreden, mit mir eine gute Flasche Wein zu trinken. Meistens bleibt sie
bei ihrer Cola. Wir ließen uns die Speisekarte von der Wirtin übersetzen und
bestellten eine Lauchcremesuppe als Vorspeise, Cannelloni mit Thunfisch als
Hauptgericht und als Nachtisch eine besondere Köstlichkeit des Landes, Joghurt
mit Honig und Walnüssen. Vorne im Eingangsbereich stand eine Badezimmerwaage.
Da sich mein Bauch in den letzten Wochen um vieles verringert hatte und ich
meine Hose oft mit dem engen Gürtel des Rucksackes hielt, wollte ich doch nun einmal
wissen, wie viel Kilo ich schon abgespeckt hatte. Ich stellte mich voller
Erwartung auf die Waage und machte

Weitere Kostenlose Bücher