Wir beide nahmen die Muschel
geschrieben und jetzt kommt sie
erst an. Sie begleiten uns so oft auf unserem Weg. Mal sehen was sie
geschrieben haben. »Es ist schon spät und ihr seid bestimmt schon zu Bett
gegangen. Seid ihr noch gesund? Wir wünschen euch weiterhin eine schöne Zeit
und denken an euch. Liebe Grüße von uns.« Jeden Tag sprechen wir auf unserem Weg
in Liebe über sie. Es tut uns gut, wenn jemand so oft an uns denkt. Wir haben
jetzt den Ort Ruitelan erreicht und machen nochmals eine kurze Pause. Ab hier
wird der Weg sehr beschwerlicher. Waren wir bis hier noch durch das grüne Tal
des Río Valcarce gegangen, erfolgt nun der sehr schwere Aufstieg in Richtung O
Cebreiro mit 722 Höhenmeter. Morgen werden wir dort hinkommen, uns diesen
geschichtsträchtigen Ort ansehen und versuchen, bis Alto do Poio zu kommen.
Aber zuerst müssen wir heute La Faba erreichen. Es ist keine Wanderung was wir
hier auf uns genommen haben, es ist schon eine sehr schwere Strapaze. Meine
Zerrung von gestern behindert mich leider auch heute noch. Wir verlassen den
befestigten Weg und gehen links in den Wald. Nach einem kurzen Stück beginnt
der Aufstieg. Es ist heute sehr heiß geworden, gefühlte 30°C. Der Weg ist sehr
beschwerlich, viel loses Geröll erfordert unsere Aufmerksamkeit. Zu unserem
Glück ist dieser einsame Waldweg so steil, dass er von Radfahrern mit ihrem
Gepäck nicht zu schaffen ist. Da die Rinder der Bauern diesen Weg auch
benutzen, müssen wir genau darauf achten wohin wir treten. Auf unserem Weg
sehen wir den Fluss Valcarce immer tiefer unter uns liegen. Hinter einer Kurve
hoch oben unser Ziel La Faba. Es ist ein sehr alter Ort. Bei Ausgrabungen hatte
man 3.000 Jahre alte Funde nachgewiesen. Besonders um die alte Kirche, an der
von uns ausgesuchten Albergue, konnte man viele Knochenfunde verzeichnen. Bei
vielen hatte man Bruchstücke von Jakobsmuscheln gefunden. Es waren Pilger aus
dem Mittelalter, welche hier durch Krankheiten geschwächt, ihr Leben
ausgehaucht hatten. Man hatte sie nachher zusammen hinter der Kirche erneut
beigesetzt und mit einer Platte abgedeckt. Wenn wir dort ankommen, werde ich
diese Stelle aufsuchen. Wir überquerten einen Bach und zwischen
schattenspendenden Esskastanienbäumen führte unser Weg immer höher. Nach
anderthalb Stunden hatten wir endlich schweißgebadet unser Ziel auf 916 Meter
Höhe und mit nur 31 Einwohner erreicht. Wir Flachländer sind einfach solche
extremen Steigungen nicht gewohnt. Er ist der letzte Ort in der Provinz León,
morgen werden wir unser letztes Land auf unserem Weg, Galizien, erreichen. Im
Dorf gab es zwei Albergues, eine private, welche von einem Marcel aus Essen mit
sieben Betten geführt wurde. Er würde ein vegetarisches Essen in einer indisch
anmutenden Oase anbieten, oder die Albergue im ehemaligen Pfarrhaus mit dreißig
Betten neben der Kirche. Sie wird betrieben vom Jakobsverein »Ultreia« in
Stuttgart. Deren Adresse hatten wir auch gestern Abend der Herbergsmutter für
unsere Rucksäcke angegeben. Leider wird sie erst in zweieinhalb Stunden
geöffnet. Sie lag etwas abgelegen im Wald. Es war ein sehr altes aber
gepflegtes Haus neben der Kirche. Ein großer Jakobuspilger aus Bronze steht in
der Außenanlage. Das Haus war bis vierzehn Uhr geschlossen und unsere Rucksäcke
waren nicht da. Dann hat sich das mit dem Weitergehen auch erledigt. Wenigstens
konnten wir uns die sehr schöne alte Kirche ansehen. Wir gingen zurück und
fanden eine kleine geöffnete Bar wo wir uns niederließen. Die Wirtin verstand
einige Worte Englisch und wir bestellten uns etwas zu trinken und ein
Thunfischbaguette mit Ei und Tomaten. Wo mögen unsere Rucksäcke sein, war
unsere bange Frage. Jetzt machten wir zum ersten Mal Gepäcktransfer und schon
geht es in die Hose. Wir konnten uns noch nicht einmal erkundigen. Wir hatten
keine Telefonnummer der letzten Albergue und wussten auch nicht, wer unser
Gepäck transportierte. Ich machte mir schon die allerschlimmsten Gedanken. Nur
meine Partnerin behielt einen klaren Kopf. »Lass uns zuerst einmal abwarten, es
ist noch früh. Vielleicht ist der Wagen noch unterwegs. Wir gehen um 12:00 Uhr
zu der Albergue und sehen dann weiter, der Hospitalero weißt bestimmt einen
Weg, so etwas hat es bestimmt schon öfters gegeben.« Wir bekamen unsere
Getränke und kurze Zeit später unsere Baguette, welche hervorragend schmeckten.
Eine ganze Reihe Pilger hatten in der kurzen Zeit die Bar betreten, eine
Kleinigkeit verzehrt und waren weitergegangen. »Siehst du,
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