Wir Ertrunkenen
dunkler, und ihr großer Mund leuchtete rot, wodurch er noch größer wirkte.
Er blickte zu Boden, als würde der Eindruck ihn überwältigen.
Sie ging auf ihn zu, und er bemerkte, dass sie größer war als er. Sie war ja auch älter.
Sie reichte ihm die Hand.
«Miss Sophie», sagte sie.
«Knud Erik Friis», antwortete er, unsicher, ob er seinem Namen ein «Mister» hätte hinzufügen sollen oder ob diese Bezeichnung nur Männern wie ihrem Vater vorbehalten war, dem mächtigen Mr. Smith.
« Sit down please», sagte sie und machte eine einladende Handbewegung.
Knud Erik setzte sich. Noch immer hielt er die Hand mit dem Keks auf dem Rücken. Da es seltsam ausgesehen hätte, wenn er mit einer Hand auf dem Rücken dasäße, ließ er den Keks fallen, kurz bevor er Platz nahm. Einen Moment später spürte er, wie der Keks unter ihm zerbröselte. Es war ihm so peinlich, dass er sich nicht auf Miss Sophie konzentrieren konnte, die nun auf ihn einredete. Doch Knud Erik verstand ohnehin kein Wort. Das Ganze war grundfalsch. Er saß auf einem zerbröselten Keks und trank Tee mit einem Mädchen, das größer war als er und merkwürdig auffällige Farben im Gesicht trug. Und aus ihrem Mund kamen unverständliche Worte, auf die sie eine Antwort erwartete.
Er starrte in den bernsteinfarbenen Tee, als würde er ihm nicht schmecken. Hin und wieder nickte er in vorgetäuschtem Ernst. Das musste sein Beitrag zur Konversation sein, dachte er. Besser konnte er es nicht.
Plötzlich lachte sie laut auf.
«Du sitzt einfach nur da und nickst. Aber du verstehst doch überhaupt nicht, was ich sage.»
Überrascht sah er auf.
«Ja, ich spreche Dänisch.»
Sie hörte nicht auf, mit ihrem großen Mund zu lachen.
«Meine Mutter kam aus Dänemark. Aber sie ist schon lange tot.»
Die letzten Worte sagte sie in einem unbekümmerten Tonfall, als messe sie dem Verlust ihrer Mutter keine allzu große Bedeutung bei. Sie beugte sich zu ihm vor.
«Bist du verlegen?», wollte sie wissen.
«Natürlich nicht.»
Plötzlich reagierte er trotzig, obwohl ihm nicht bewusst war, dass der Trotz jetzt anstelle seiner Verlegenheit trat. Er war wütend. Sie hatte ihn dazu gebracht, sich wie ein kleiner Junge zu fühlen. Auf dem Schiff war er sich wie ein Mann vorgekommen, und diese neu erworbene Würde wollte er auch hier respektiert wissen. Und dann verstand sie Dänisch. Immerhin glaubte er sich hier wieder auf sicherem Grund. Miss Sophie musste man nur wie Marie behandeln.
«Bestimmt weißt du, dass wir auf der Kristina über dich reden», sagte er. «Die anderen zerbrechen sich den Kopf, was du eigentlich treibst. Ein paar glauben, du gehst zum Klavierunterricht. Aber es gibt auch jemanden, der meint, dass du einen Liebsten hast, den du jeden Tag draußen bei der Klippe triffst.»
Miss Sophie blickte ihn spöttisch an.
«Einen Liebsten. Hm, vielleicht ist es ja so. Und, was sagst du nun?»
Knud Erik sagte nichts.
«Nein», fuhr Miss Sophie fort, «es wartet kein Liebster draußen auf der Klippe auf mich. Ich habe dort einen Ort zum Träumen. Weißt du, was das ist, ein Ort zum Träumen?»
Er schüttelte den Kopf.
«Das ist ein Ort, an dem man verweilt und träumt. Es gibt einen schmalen Sandstrand direkt vor dem Hafen. Dort sitze ich und schaue
übers Wasser. Und dann träume ich. Von Passagierdampfern, Flugzeugen und Zeppelinen, von großen Städten, von Straßen, die voller Autos und Schaufenster entlang der Bürgersteige sind, von Filmtheatern und Restaurants.»
Es war eine Auflistung, die sie atemlos werden ließ, als ob eine lang zurückgehaltene Sehnsucht sich endlich löste.
«Hast du keine Träume?»
«Doch», antwortete Knud Erik, «ich träume davon, Kap Hoorn zu umrunden.»
«Kap Hoorn?» Miss Sophie lachte überrascht. «Ja, du bist Seemann. Aber warum gerade Kap Hoorn? Es ist kalt, überall stürmt es, und die Schiffe gehen unter.»
«Das mag sein», erwiderte Knud Erik, «aber man ist kein richtiger Seemann, wenn man nicht Kap Hoorn umrundet hat.»
«Wer sagt das?»
«Das weiß doch jeder.»
«Hast du keine Angst zu ertrinken?», fragte Miss Sophie.
Knud Erik zögerte einen Augenblick. Sollte dieses fremde Mädchen mit diesem ebenso seltsamen wie hübschen Gesicht ihn wirklich dazu bringen, alles zu erzählen?
«Doch», entgegnete er ehrlich, «ich habe große Angst zu ertrinken.»
«Warst du schon einmal kurz davor?»
Miss Sophie sah ihn mit einem durchdringenden Blick aus ihren dunklen Augen an.
«Ja,
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