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Wir Ertrunkenen

Wir Ertrunkenen

Titel: Wir Ertrunkenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Jensen
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Meer geschrieben habe.
    «Shave him and bash him,
Duck him und splash him,
Torture him and smash him
And don’t let him go!»
    Er segelte rund um Kap Hoorn. Er hörte in der pechschwarzen Nacht den Schrei des Pinguins und war Vollmatrose. Er lief Callao und die Guanoinsel Lobus Island direkt südlich des Äquators an. Er segelte zurück nach Europa. Er musterte auf einem Dreimast-Nova-Scotia-Vollschiff an und kam nach New York, wo er an Land ging. Nun wollte er an Bord eines amerikanischen Schiffs, auf dem die Heuern hoch waren. Vielleicht war es papa tru mit seinen Träumen von Amerika, der ihm einen Streich spielte.
    Doch an Bord der Bark Emma C. Leithfield sollte er nicht auf seinen papa tru treffen, sondern auf Isager und den Tampen, und diesmal musste der Kampf zu Ende gebracht werden.
     
    Später sagte er immer zu uns, dass er niemals den Augenblick vergessen würde, als er an Bord ging.
    Wir fragten ihn, ob er denn wirklich nicht gewusst hätte, wie es an Bord amerikanischer Schiffe zuging? Dass es dort häufig zu Meutereien unter der Mannschaft käme, dass ein Steuermann nicht nach seinen
seemännischen Fähigkeiten ausgewählt würde, sondern nach seiner Körperkraft und seinen Eigenschaften als Schläger, und dass die Fäuste oder der Revolver häufiger die Befehle erteilten als der Kapitän.
    Albert sah weg und schmunzelte, als wüsste er es im Grunde genommen ganz genau und wollte es nur nicht zugeben.
    Er sah uns direkt an.
    «Nein», sagte er, «ich wusste nicht, dass es so schlimm sein könnte. Es waren zehn Monate in der Hölle. Was die Hölle war, wusste ich bereits. Aber wie man aus der Hölle herausfindet, das war die eine Geschichte, die uns der verdammte Isager nie beigebracht hat.»

    Siebzehn Mann arbeiteten vor dem Mast auf der Emma C. Leithfield, sechs davon kamen aus Skandinavien. Sie waren nach Alberts Ansicht die einzigen ordentlichen Seeleute an Bord. Wir fanden es nicht sonderlich merkwürdig, dass er so dachte. Haben wir doch immer die beste Meinung über unsere eigenen Leute. Er gründete seine Ansicht auf einer einzigen Beobachtung: Sie waren die Einzigen, die sich noch auf den Beinen halten konnten, als sie an Bord gingen.
    Ein runner -Boot kam längsseits des Schiffs. Ein Haufen stockbesoffener Franzosen wurde von zwei brutal aussehenden crimps an Deck gestoßen, Landhaien, die eine Absprache mit einem boardinghouse hatten, in dem die Franzosen bereits um ihr letztes Geld erleichtert worden waren. Dann folgten ein paar sturzbetrunkene Italiener und Griechen. Ein drittes Boot brachte volltrunkene Engländer und Waliser. Unter dem Arm trugen sie alle ein kleines Päckchen mit Kleidung. Das war ihre gesamte Ausrüstung. Ihr Haar war nicht geschnitten, ihre Gesichter sahen vernarbt aus. Aus den Taschen ragten halbleere Whiskyflaschen. Sie lallten und brüllten in allen Sprachen, aber sie kamen alle vom selben Ort: Sie waren der Abschaum der Hafenstädte.
    Sie schafften es nicht, irgendetwas zu tun. Sie glotzten auf die Ankerkette, als hätten sie keine Ahnung, wo sie hinführte. Sie blickten hinauf in die Takelage und grinsten, da ihnen schwindlig wurde. Dann torkelten sie in ihre Unterkunft und verschwanden über die Leiter. Sie warfen
sich auf die Kajütendielen oder in die Kojen und schliefen schnarchend auf den nackten Bodenbrettern ein.
     
    Kapitän Eagleton war ein jüngerer Mann mit einem dichten Backenbart und einem ausweichenden Blick. Es gelang ihm nicht, sich gegenüber dieser verkommenen Mannschaft Respekt zu verschaffen. Das sah Albert sofort. Er bat Albert, ins Mannschaftslogis zu gehen und die halbleeren Whiskyflaschen einzusammeln. Dann befahl er, die Flaschen über Bord zu werfen. Albert schaute auf die Flaschen, die auf dem Wasser schaukelten. Das hätte Eagleton vor den Augen der versammelten Mannschaft tun sollen, dachte er, nicht heimlich, wenn sie ihren Rausch ausschliefen.
    Albert bemerkte, dass auf der Back ein großer, solider Sessel festgebolzt stand. Er sah aus wie ein Thron, doch der König war nicht da. Albert glaubte nicht, dass der Stuhl dem Kapitän gehörte. Er hatte genügend Erfahrung mit dem Leben auf See, um zu erkennen, dass Eagleton ein Typ war, der sich vom Deck fernhielt und von der Mannschaft am liebsten isoliert blieb. Konnte es der Stuhl des Steuermanns sein? Die Frage blieb unbeantwortet, denn der Steuermann hatte sich noch nicht blicken lassen.
    Aus dem Logis war heftiger Lärm zu hören, und der Kapitän befahl Albert herauszufinden,

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