Wir fangen gerade erst an: Roman (German Edition)
froh. Kratze und Snille hatten rein physisch das Haltbarkeitsdatum fürs Fahren längst überschritten – auch wenn sie das niemals zugeben würden –, und wenn etwas Schweres zu heben war, wäre Anders auch eine große Hilfe. Doch Märtha konnte sich nicht enscheiden, ob man ihm trauen konnte, auch wenn er Stinas Sohn war. Er wirkte so jung mit seinen 49 Jahren. Ob er das alles bewältigte? Oder wenn sie nun die zwanzig Millionen einsackten, und er mit der Beute davonfuhr … Da hätten sie nicht die Hälfte verloren, sondern alles . Märtha hatte versucht, sich damit zu trösten, dass ein vertrauenswürdiger Bürokrat im Staatsdienst wie Anders wohl kaum stehlen würde. Aber dann musste sie an ihre eigene Geschichte denken und machte sich doch wieder Gedanken. Wie auch immer, jetzt war es zu spät, um irgendetwas zu unternehmen, denn Stina hatte sich verplappert, und Anders hatte begriffen, dass die fünf wieder ein neues Verbrechen planten.
»Habt ihr denn gar kein Gewissen?«, hatte er gefragt.
»Aber gerade das haben wir doch«, erklärte Stina, und dann erzählte sie ihm von dem ultimativen Verbrechen und dem Diebstahlsfonds.
»Der Diebstahlsfonds, mein Junge, der ist wichtig«, hatte sie gesagt. »Wir haben dieses Land aufgebaut, und wir möchten, dass es uns im Alter gutgeht. Weißt du, wir sind gar keine richtigen Verbrecher. Wir greifen nur dort ein, wo der Staat versagt hat. Und dann leihen wir uns etwas von den Reichen und geben es den Bedürftigen. Eben den Menschen, bei denen der Staat spart, Witwen, Alte und die, die länger krank sind, als die Politiker sich das vorstellen.«
Da hatte Anders Stina in den Arm genommen und gesagt, dass er stolz auf sie sei. Dann hatte er erklärt, wie eintönig und sinnlos sein Beamtenjob sei, aber wie er nun, da er alten Menschen helfe, merke, dass er etwas Nützliches tun könne. Ja, so war es gewesen, als Anders zum Handlanger der Seniorengang wurde. Märtha akzeptierte das und fand es nun sogar klug, Kontakt zur jüngeren Generation zu halten, um nicht zu stagnieren. Aber ein richtiges Mitglied konnte er nie werden, er würde immer für die einzelnen Aufträge bezahlt werden. Und den Diebstahlsfonds würden sie allein verwalten.
»Um das Konto kümmere ich mich«, sagte Anna-Greta mit ihrer Glassprengstimme, und dem gab es nichts hinzuzufügen.
Dann hatte Anders es sich nicht verkneifen können, die Neuigkeit brühwarm seiner Schwester zu erzählen. Emma hatte die Augen verdreht und gemeint, dass ihre Mutter von Tag zu Tag jünger und temperamentvoller werde. Märtha hatte ihr Gespräch gehört, als die zwei auf der Straße vor dem Haus Diamant standen und eine Zigarette rauchten.
»Ab jetzt werde ich mich besser um Mutter kümmern«, sagte Anders.
»Ich auch«, meinte Emma.
Als Märtha Stinas Kinder so reden hörte, war sie zu dem Schluss gekommen, dass Anders mitmachen dürfe. Und schon bei ihrer Zusammenkunft am Abend stellten sie fest, dass sie ihn brauchten.
»Große Villen auf Djursholm sind nicht ohne. Weinkeller liegen immer im Untergeschoss, da ist es gut, wenn man Hilfe hat«, sagte Snille.
»Und die Postsäcke sind bestimmt nicht leicht«, fügte Kratze hinzu.
»Außerdem ist es wichtig, dass wir die gesamte Beute mitnehmen. Wir können nicht ständig die Hälfte verlieren, wenn wir etwas klauen. Das wird zu teuer«, sagte Anna-Greta.
»Ist es teuer, die Hälfte von gestohlenem Geld zu verlieren?«, überlegte Märtha laut. »Kann etwas teuer sein, das einem gar nicht gehört?«
»Jetzt fang nicht wieder an, es geht hier nicht um Philosophie«, stöhnte Kratze.
»Ich finde es gut, wenn Anders dabei ist«, schob Stina ein. »Dann haben wir eine Kontaktperson in Schweden, die sich um unsere Sachen kümmern kann, solange wir im Ausland sind. Hier wird es bestimmt viel zu regeln geben.«
Dem stimmte Märtha zu, denn sobald die fünf ihr Geld auf die Seite geschafft hatten, wollten sie nach Westindien fliegen. Das hatten sie vor ein paar Tagen beschlossen, und Anna-Greta hatte schon Hotel und Flug übers Internet gebucht und die nötigen Papiere besorgt. Wie ihr das gelungen war, hatte Märtha nicht nachvollziehen können, denn sie waren natürlich im Vorstrafenregister gelistet. Sie konnte sich nur vorstellen, dass das System sie aufgrund ihres Alters wieder aussortiert hatte.
Ein Auto vor ihnen hupte, und Märtha wollte auch hupen, doch leider saß sie nur auf dem Beifahrersitz, wie sie feststellte. Anders steuerte das schaukelnde Auto
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