Wir fangen gerade erst an: Roman (German Edition)
Märtha ein paar Stunden später mit den anderen im Aufzug stand, um nach unten in den Wellness-Bereich zu fahren, tastete sie immer und immer wieder die Taschen ihres weißen Bademantels ab. Dort lagen die Plastiktüten mit dem Pulver. Sie schielte zu Snille hinüber. Er hatte ein Handtuch des Grand Hotels auf seiner Tasche liegen, so dass man das Werkzeug darunter nicht sah. Und wie ausgelassen er war! Wie ein kleiner Junge, der dabei war, etwas auszuhecken. »Und wenn ich ehrlich bin«, dachte sie, »geht es mir nicht anders.«
Zur Tarnung duschten sie alle und verbrachten eine ganze Weile im Pool. Sie planschten herum und warteten, bis viele Gäste kamen. Anna-Greta ermahnte die anderen immer wieder, geduldig zu sein.
»Wir könnten aber noch ein Armband mehr bekommen«, leierte sie, sobald jemand vorschlug, endlich anzufangen. Schließlich meinte Snille, dass er nicht noch eine Minute länger warten könne, und dann beugte er sich zu Märtha hinüber und flüsterte.
»Hast du die Tüten parat?«
Sie nickte.
»Wenn das Licht aufleuchtet, holst du das Pulver raus und kippst es in dieses Mundteil, aus dem der Dampf kommt. Ganz schnell, so dass keiner etwas merkt.«
»Weiß ich doch, hab ich schon im Film gesehen!«, antwortete sie.
Snille verschwand über den Flur Richtung Rezeption und Schaltkasten, während Märtha und die anderen zum Dampfbad hinübergingen. Das Bilsenkraut würde die Saunagäste träge machen, und bevor sie zu benebelt waren, würde Märtha noch das Cannabis ins Mundstück schütten. Dann würden Stina und Anna-Greta aus dem Dampfbad wanken und vorgeben, ohnmächtig zu werden, während Märtha zur Rezeption eilte, um Alarm zu schlagen. Sobald die Mitarbeiterin von der Rezeption ihre Theke verlassen hatte, würde Snille das Licht in der ganzen Abteilung löschen und gemeinsam mit Kratze das Schließfach knacken. Für den Fall, dass es dann zu dunkel zum Arbeiten war, hatte Snille sicherheitshalber Leuchtdioden in seinen Pantoffel montiert. Märtha machte sich Sorgen, weil sie fand, dass ihn das entlarven könne, doch er beruhigte sie. Den Pantoffel würde er nur im Notfall benutzen, und in all dem Durcheinander achtete niemand darauf, woher das Licht kam. Märtha war trotzdem der Meinung, dass sie recht habe und dass er die Sache nur deshalb so sah, weil er ein Mann war und zu wenig Phantasie besaß. Doch mit den Jahren hatte sie gelernt, dass es in der Regel einfacher und auch klüger war, in solchen Dingen nachzugeben.
Als sie in die Sauna kamen, schlug ihnen heißer Dampf entgegen, so dass sie in dem nassen Nebel kaum die Hand vor Augen sahen. Stina und Anna-Greta setzten sich auf die Bänke, während Märtha sich umsah. Sie schätzte, dass mindestens zwanzig Personen in der Sauna waren. Ein paar ältere Herren, einige Damen und ein Paar mittleren Alters hatten sich auf den zwei gegenüberliegenden, halbrunden Bänken niedergelassen. Die, die ganz nah dran sitzen, muss ich im Blick behalten, damit ich sehe, wie die Kräuter wirken, dachte Märtha und spürte, wie die Plastiktüten unter ihrem Badeanzug rieben. Eigentlich wäre das ja Kratzes Aufgabe gewesen, aber er hatte darauf hingewiesen, dass er sich heute nur noch mit lebenden Kräutern beschäftige. Um getrocknete Blätter kümmere er sich nicht. Märtha setzte sich auf die untere Bank, so nah an die Tür wie möglich, damit sie immer mal wieder frische Luft von draußen bekam. Den Birkenreisig legte sie neben sich. Mit den Plastiktüten im Dekolleté sah sie aus wie aus einem anderen Jahrhundert. Sie seufzte, weil es in der Sauna so dunkel war.
»Wie lange sollen wir denn hier sitzen?«, flüsterte Stina.
»Nicht mehr lange«, beruhigte sie Märtha. »Ich sage Bescheid, wenn es so weit ist.«
»Hier drinnen hält man es wirklich nicht lange aus«, fügte Anna-Greta hinzu und hielt sich die Hand vor den Mund. »So viel Dampf.«
Im Nebel waren die Gesichtsausdrücke der anderen Besucher kaum zu erkennen, und Märtha spürte eine zunehmende Unruhe. Wie sollte sie sehen, wie die Leute reagierten? Kaum hatte sie dies zu Ende gedacht, da flackerte das Licht auf. Snille hatte die Sicherung rausgehauen. Jetzt aber los! Märthas Hand fuhr unter den Badeanzug und tastete nach den Plastiktüten. Wo lagen die denn? In dem Moment fiel ihr ein, dass sie ihre Brille gar nicht aufhatte. Und das passierte gerade ihr, die immer gepredigt hatte: kleine Ursache, große Wirkung! Na ja, die größere Tüte war die mit dem Cannabis, mehr musste
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