Wir haben keine Angst
überdimensionierte Seifenblasen fliegen lässt.
Das Peeling muss fünf bis sieben Minuten einwirken. Es brennt schon jetzt höllisch.
*
Bastian hat jetzt doch Bock zu reden. Bille nicht. Das merkt er gleich, aber er versucht es trotzdem. Bastian erzählt ihr alles, was ihm in den Kopf kommt. Er textet von gestern, fragt, ob sich Bille an den fertigen Typen hinterm Tresen erinnert, ob sie noch mitgekriegt hat, wie er mit ihm um die Wette angefangen hat für das Mädel an der Bar das Alphabet zu rülpsen. Ob sie noch weiß, wie sie vor fünf Jahren auf dieser krassen Feier von Max immer wollte, dass er das vorführt, er aber so breit war, dass er nur bis C gekommen ist? Ob sie sich an den fiesen Schnaps erinnert, den sie damals immer getrunken haben? Und wie sie auf dem Balkon zu »Arbeit nervt« getanzt haben, bis die Nachbarn Stress gemacht haben?
Bastian kichert ins Telefon. Nebenbei wischt er mit dem Klopapier in der Küche das übergeschwappte Nudelwasser auf. Bille sagt nichts.
»Heute auf dem Weg zu Lidl hab ich bei der Hundewiese so krasse Kinder gesehen«, erzählt Bastian einfach weiter, »Die sind joggen gegangen, Bille,
joggen
. Joggende Kinder! Ich wollte die eigentlich anhalten und fragen: ›Ey, habt ihr sie noch alle?!‹ Das geht doch gar nicht, oder?! Kranke Welt, ey, oder?!«
Bille brummt. Sie liegt in der Badewanne. Sie lässt Bastian reden. Das letzte Bier war gestern zu viel. Sie sei schlecht drauf gekommen heute Morgen, sagt sie zu Bastian.
Er überhört es.
»Kennst du das, wenn man sich so lange im Spiegel anguckt, dass man sich auf einmal voll strange fühlt?«, kichert er. »Hab ich eben gemacht …«
*
Anna klappt ihr MacBook zu. Sie kriegt heute einfach nichts hin, weder den Fragebogen für Herrn G. noch die Überarbeitung ihres Profils auf Xing noch die ganzen e-Mails an Leute, bei denen sie sich längst hätte melden sollen. Und auch nicht ihren Lebenslauf, der auf die Mitarbeiterseite soll. Sie kann sich für kein Foto entscheiden. Geschweige denn dafür, was sie bei »Private Interessen« schreiben soll.
Der Workflow will sich heute einfach nicht einstellen. Die To Do Liste erzeugt nicht den üblichen Druck. Das Hamsterrad hat Anna heute einfach ausgespuckt. Sie kommt nicht mehr zurück rein, das Rad steht plötzlich still. Anna ist auf einmal alles egal. Ihr scheint das Gerenne komplett irre. Und sie fragt sich, worauf sie heute Mittag eigentlich so stolz war.
Wie toll ist es eigentlich wirklich, sich so dermaßen abzustrampeln, wenn man sich, sobald man eine ruhige Minute hat wie jetzt, so leer fühlt? Was, wenn sich dieser ganze Aufwand, das ganze Durchdrehen gar nicht lohnt? Wenn die Jahre praktikantischer Unterwürfigkeit, das nächtelange Durcharbeiten für die Uni und diese blöden Workshops über Selbstvermarktung sie nie weiter geführt haben sollten als zu diesem Punkt? Was, wenn sie gar nicht mehr weiß, wer hinter der Anna steckt, die sie ständig so erfolgreich verkauft?
Anna denkt an ihren KKV . Daran, wie sie im Workshop immer die Beste darin war, ihn herauszustellen, ihren Komparativen Konkurrenzvorteil. Wie sie deshalb spielend das behämmerte Rollenspiel gewonnen hat, in dem es um den Elevator Pitch ging. Um die beste Selbstdarstellung in vierzig Sekunden. »Stellt euch vor, plötzlich steht der Head of Recruting mit euch im Fahrstuhl – was sagt ihr?«, hatte Pamela, die Workshopleiterin in die Runde gefragt. Anna hatte abgeräumt. Bei der Feedbackrunde sagte jeder, dass er sie sofort hätte einstellen wollen. Nicht zuletzt deshalb, weil Anna immer so unglaublich natürlich rübergekommen sei.
Anna will sich nicht einstellen. Sie würde sich gerade am liebsten abstellen. Sie hat keine Lust mehr auf sich selber. Darauf, mit allem, was sie tut und sagt, zu zeigen, wie toll sie ist. Und dabei nie die Angst loszuwerden, ob sie dieser Rolle überhaupt entsprechen kann.
Warum kann ich nicht einfach sein wie Katrin?, fragt Anna sich. Katrin, die sich offensichtlich nicht so wichtig nimmt? Die wirklich bescheiden ist und nicht nur so tut? Die einfach nur nett ist und nicht mehr. Der das, was sie hat, zu genügen scheint? Die nicht so krank getrieben ist. Sondern ein ganz normales Leben führt. Warum kann Anna nicht auch so zufrieden sein? Warum kann sie nie aufhören zu denken?
Anna rollt sich in ihre Bettdecke auf dem Sofa ein. Sie könnte sich Sushi bestellen. Oder Ben & Jerrys. Damit wenigstens das Geld, das sie verdient, ausgegeben wird. Aber Anna hat
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