Wir haben Sie irgendwie größer erwartet

Brünnhilde!«
    Nachdem erneut die Ebenbilder des schönsten Mannes und der schönsten Frau der Welt im Spiegel nacheinander erschienen waren, setzte er sich aufs Bett und begann aus unerfindlichem Grund zu weinen.

4. KAPITEL
     
    Vergöttert zu werden, kann richtig auf die Nerven gehen. Selbst der abgehärtetste und zynischste königliche Besucher einer entlegenen Insel ist völlig perplex, wenn er mitbekommt, daß die Insulaner sein eingerahmtes Foto verehren – aber zumindest hat er den Trost zu wissen, daß er in Wirklichkeit kein Gott ist. Malcolm hingegen fand keinen solchen Trost, als er mit der Tatsache konfrontiert wurde, daß sein Geist die Welt kontrollierte.
    Wenn das doch nur Mister Scanion wüßte! sagte er sich immer wieder. Mr. Scanion hatte redlich versucht, Malcolm auf der Schule Physik beizubringen, und falls seine damalige Einschätzung von Malcolms geistigen Fähigkeiten heute noch zutraf, dann steckte die Welt in großen Schwierigkeiten. Malcolm hatte seinerseits stets dazu geneigt, die Meinung seines Lehrers zu teilen; zumal die Beweislast stets für Mr. Scanions Urteil gesprochen hatte. Nichtsdestotrotz war es notwendig, das Beste aus dieser vertrackten Situation zu machen. Außer sich selbst hatte Malcolm nun wortwörtlich niemanden mehr, der ihm für alles die Schuld in die Schuhe schieben konnte, und die tägliche Morgenandacht im Radio schien direkt auf ihn gemünzt zu sein. Besonders eine Zeile, von der Malcolm meinte, sie etwas frei wiedergeben zu müssen:
    »Denn es gibt niemand anderen, der für uns kämpft, nur dich, unseren Gott!«
    Dennoch gaben ihm die Nachrichten aus aller Welt Grund für gedämpften Optimismus. Die Folgen der Katastrophen, von denen sein Amtsantritt begleitet worden war, und die sich daraus ergebenden Probleme lösten sich mit atemberaubender Geschwindigkeit wie von selbst. Zum Beispiel hielten die Vereinten Nationen in New York eine Sondersitzung ab, und sämtliche Mitgliednationen sprachen sich einstimmig dafür aus, die in Not geratenen Opfer der Katastrophen mit Spenden in noch nie dagewesener Höhe zu unterstützen. Aus den verschiedenen Putschen und Revolutionen entstanden in Windeseile friedliche Demokratien, als sei dies von vornherein beabsichtigt gewesen. Die Friedensverhandlungen im Mittleren Osten wurden erneut aufgenommen, die USA und China spielten wieder miteinander Pingpong, und der Heuschreckenschwarm war von einer gewaltigen Schar Zugvögel verspeist worden. Zugegebenermaßen verlor England auch das zweite Testspiel, aber wie Malcolm wußte, konnte man von ihm schließlich keine Wunder verlangen. Die einzige Katastrophe, von der berichtet worden war, hatte sich in Form der Zerstörung eines kleinen unbewohnten Atolls mitten im Pazifischen Ozean abgespielt; aber selbst dieses Naturereignis hatte seine gute Seite, da die Bewohner des benachbarten Atolls sich schon immer darüber beschwert hatten, daß die andere Insel ein Schandfleck sei und ihnen den Anblick des Sonnenuntergangs verdorben habe.
    Es bedurfte keines auferstandenen Geistes und auch nicht des Besuchs eines prophetischen Vogels, um Malcolm zu erzählen, daß dies alles einzig und allein das Ergebnis seiner Nettigkeit gewesen war. Sämtliche unangenehmen, gehässigen oder zornigen Gedanken hatte er während des Großteils der letzten zwei Wochen rigoros aus dem Kopf verdrängt (die Anstrengung zeigte sich allmählich), was einen beispiellosen Auftrieb des Glücks der gesamten Menschheit zur Folge gehabt hatte.
    Und alles das bin ich gewesen, sann Malcolm leicht eingebildet nach.
    Allerdings war es ausgesprochen frustrierend, das alles für sich behalten zu müssen. Nie zuvor hatte Malcolm im Leben irgend etwas erreicht – lediglich mit neun Jahren den dritten Preis auf einer Blumenausstellung seines Heimatorts (insgesamt waren drei Kinder seiner Altersstufe angetreten), und der Wunsch, beglückwünscht zu werden, war sehr groß. Zum Beispiel hatte seine Schwester schon eine ganze Menge im Leben erreicht, aber noch nie einen Krieg beendet oder einen Heuschreckenschwarm beseitigt, doch dafür schien ihn der Ring von der übrigen Menschheit regelrecht abzukapseln. Obwohl er der Herr des Tarnhelms war, verließ er so gut wie nie das Haus. Zum einen Teil aus purer Faulheit, zum anderen aus Vorsicht; wenn er nämlich nett bleiben mußte und gegenüber nichts und niemandem böse Gedanken oder gar Groll hegen durfte, wäre es nicht ratsam für ihn gewesen, sich mit jemandem von seinen