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Wir haben Sie irgendwie größer erwartet

Wir haben Sie irgendwie größer erwartet

Titel: Wir haben Sie irgendwie größer erwartet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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daß jemand unbegrenzten Reichtum einem Techtelmechtel mit einer der hübschen Rheintöchter vorzöge – um nichts anderes drehte es sich doch bei diesem ganzen Gerede vom Abschwören von der Liebe und so weiter –, aber das ist mittlerweile tausend Jahre her. Was konnte man sich vor tausend Jahren schon groß kaufen, dessen Besitz sich lohnte? Das Nonplusultra aller Konsumgüter war ein Ruderboot oder ein Schlapphut aus Ziegenfell, und unter dem idealen Eigenheim verstand man eine feuchte Blockhütte ohne Rauchabzug. Heutzutage ist das alles anders. Heutzutage müßte man den meisten Leuten gar nicht erst die ganze Welt anzubieten, damit sie der Liebe abschwören, eine neue Waschmaschine tät’s auch schon. Nein, wenn du den Ring in den Rhein wirfst, machst du alles nur noch schlimmer.«
    »Aber Wagner sagt …«
    »Vergiß doch diesen blöden Wagner! Hier geht es um reales Leben.«
    »Von wem hat er eigentlich diese ganze Geschichte gehört?«
    »Ein kleiner Vogel hat sie ihm erzählt.«
    Malcolm saß für eine Weile schweigend da, während die Taube sein Tagebuch zu essen versuchte.
    »Das ist ja furchtbar!« stöhnte er schließlich laut auf. »Also bin ich von nun an für jede Katastrophe, die sich auf der Welt ereignet, persönlich verantwortlich. Dabei habe ich immer gedacht, daß mir nur meine Mutter für alles die Schuld in die Schuhe schiebt.«
    »Nicht unbedingt«, beruhigte ihn die Taube. »Vielleicht – und ich sage vielleicht – kannst du dafür sorgen, daß alle diese schrecklichen Dinge nicht mehr passieren. Ich weiß zwar auch nicht wie, aber immerhin hast du heute eine Menge Menschen vor dem Tod bewahrt.«
    »Wirklich?«
    »Sicher. Wenn du es nicht getan hast, wer soll es dann gewesen sein? Laß es mich so ausdrücken …« Die Taube vergrub den Schnabel in den Federn und dachte einen Augenblick lang angestrengt nach. »Grundsätzlich betrachtet, willst du niemanden wirklich töten, stimmt’s?«
    »Natürlich nicht!« empörte sich Malcolm.
    »Wenn du von Katastrophen in anderen Ländern hörst, ist dir aber deswegen noch lange nicht gleich der ganze Tag verdorben, oder? Du denkst zwar, Pech gehabt, diese armen Teufel, aber deshalb brichst du trotzdem nicht gleich in Tränen aus, richtig?«
    »Das stimmt allerdings.«
    »Wohingegen dich eine Tragödie im eigenen Land weit mehr treffen würde, wie?«
    »Ja.«
    »Weißt du, diese ganzen Katastrophen haben sich in anderen Ländern zugetragen. Die einzige inländische Katastrophe war, daß England ein Kricketspiel verloren hat, und so, wie die Dinge heute stehen, wäre das wahrscheinlich sowieso passiert. Ich erinnere mich daran, als ich neunzehnhundertsechsundfünfzig auf dem Spielfeld in Edgbaston nach Würmern pickte …«
    »Schweif nicht ab!« unterbrach Malcolm die Taube gereizt.
    »So, wie ich es sehe, wird der Ring von deinem Willen geleitet«, fuhr die Taube fort, wobei sie einen Käsekrümel aufpickte, den sie zuvor übersehen hatte. »Eine gewisse Anzahl spontaner Reaktionen muß geschehen, wenn der Ring den Besitzer wechselt. Das ist wie bei einem Vulkan: Die Kräfte und Urgewalten müssen irgendwo heraus. Aber durch deinen Willen ist Großbritannien verschont geblieben …«
    »Würde es dir etwas ausmachen, das Wort Wille nicht zu benutzen? Das hört sich an wie mein letzter Wille.«
    »Also gut, dann hast du eben Großbritannien beschützt, weil es dir mehr am Herzen liegt als andere Länder. Natürlich alles nur unterbewußt. Und du hast dich dagegen gewehrt, daß der Ring jemanden tötet, weil du es instinktiv ablehnst, daß Menschen getötet werden. Wenn man sich das einmal durch den Kopf gehen läßt, ist es schon recht bemerkenswert. Hast du vielleicht noch irgendwo etwas von dem Käse herumliegen?«
    Malcolm war sehr betroffen. »Du meinst, ich bestimme, was auf der Welt geschieht?«
    »Ja. Allerdings nicht ganz so, wie du dir das vorstellst. Der Ring wird von deinem Bewußtsein zwar keine Befehle annehmen, aber du kannst ihn davon abhalten, die Welt zu zerstören, wenn du genügend Willensstärke hast.«
    »Aber das gibt’s doch gar nicht!«
    »Ich stimme dir ja zu, daß das merkwürdig klingt, zumal weder Wotan noch Fafner das hingekriegt haben. Selbst Siegfried nicht, und er war weit …«
    »Siegfried war ein Vollidiot. Oder hat Wagner sich da auch vertan?« warf Malcolm ein.
    »Ja, und ob. Siegfried war kein Idiot, bei weitem nicht. Er wußte nur nicht, was da vor sich ging. Aber dir ging es ja auch nicht anders.« Die

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