»Wir haben soeben unsere Reiseflughöhe vergessen«
war, die hoffte: Alle Flugbegleiterinnen sahen geschätzte zehn Mal besser aus als noch vor fünf Minuten. Der Überbringer der frohen Botschaft war mittlerweile lachend auf einem Sitz in der First Class zusammengebrochen. »Heiliger Strohsack, ihr solltet euch mal sehen. Das war doch nur Spaß! Ich fasse es nicht, dass ihr darauf reingefallen seid.«
Dafür wünschte ich mir auf einem anderen Flug, jemand hätte sich mit mir einen Witz erlaubt. Während des Boardings bestellte ein ziemlich verlottert aussehender Typ in der First ein Glas Wasser. »Spielen Sie zufällig in einer Band?«, erkundigte ich mich, als ich es ihm brachte. Eine andere Erklärung für seinen abgerissenen Obdachlosen-Look fiel mir nicht ein. Es stellte sich heraus, dass er tatsächlich in einer Rockband spielte, und zwar nicht in irgendeiner – sondern in meiner Lieblingsband!
Ich starrte ihn verblüfft an. Ich hatte den Kerl noch nie im Leben gesehen. »Sie müssen ganz neu dabei sein.«
»Ich bin der Leadsänger!«
Der Typ war ein unverschämter Lügner! Denn der Leadsänger meiner Lieblingsband sah absolut umwerfend aus. Und das traf auf diesen Typen mit den mageren Ärmchen eines Dreizehnjährigen definitiv nicht zu. Mit meinen einen Meter siebzig überragte ich ihn – um mehrere Zentimeter! Im Fernsehen hatte er immer so groß und muskulös gewirkt, wenn er sich das Hemd auf der Bühne auszog und sein beeindruckendes Sixpack präsentierte. Ich bezweifelte, dass sich unter dem löchrigen Fetzen von einem T-Shirt etwas verbarg, was auch nur annähernd diese Bezeichnung verdient hätte.
Zurück in der Bordküche beschloss ich, die Passagierliste zu überprüfen. Ehrlich gesagt wünsche ich fast, ich hätte es nicht getan. Denn da stand er: sein Name, auf dem Blatt Papier, das am Glaseinsatz des Getränkewagens klebte. Ich war fassungslos! Mein Rock-’n’-Roll-Hero … schmächtig wie ein Hänfling!
Vor meiner Karriere als Flugbegleiterin glaubte ich nie daran, dass Träume in Erfüllung gehen könnten. Ich bin zwar in Dallas aufgewachsen, einer ziemlich großen Stadt mit zahlreichen Möglichkeiten, trotzdem war ich nie auf die Idee gekommen, etwas ganz Besonderes aus mir machen zu müssen. Doch nach meinem Umzug nach New York war alles anders. Ich wohnte in einer der aufregendsten Städte der Welt, war hautnah dran an einem Leben, das ich sonst nur aus Filmen gekannt hatte. Ich sah das Plaza Hotel, den Central Park, das Empire State Building, die Wall Street, Chinatown und Little Italy: Orte, die ich bislang nur im Film gesehen hatte … Hier lag mir die Welt zu Füßen, und ich hatte keine Ahnung, was ich mit ihr anstellen sollte. Ich konnte immer noch nicht fassen, dass das hier mein Leben war.
Die Begegnungen mit Prominenten waren erst der Beginn dieser Erkenntnis: Sie saßen auf demselben Sitz, auf dem ich gerade noch mein Erdnussbuttersandwich verputzt hatte, während ich auf den Beginn des Boardings gewartet hatte. Mein Allerwelts-Popo hatte denselben Stoff berührt wie die Hinterteile all dieser berühmten Menschen. Ich werde nie den Tag vergessen, als ich in der First Class nach Hause flog und von meiner Kollegin erfuhr, dass vor einer halben Stunde noch eine meiner Lieblingsschauspielerinnen exakt auf meinem Platz gesessen hatte. Sie war auf dem Rückflug aus Los Angeles gewesen, wo sie am Vorabend einen Oscar gewonnen hatte. Keine Ahnung, wieso, aber in diesem Moment gab es keinen Zweifel mehr für mich: Ich konnte alles erreichen, egal was. Zum Beispiel als Fotografin Karriere machen. Als ich also herausfand, womit der süße Typ hinten in der Business-Class seine Brötchen verdiente, hatte ich plötzlich keine Lust mehr, mit ihm auszugehen, ich wollte für ihn arbeiten!
Er war ein berühmter Fotograf, und ich wusste, dass ich mehr wollte, als einen Abend lang mit ihm bei irgendeinem Italiener zu sitzen. Aus einer Laune heraus bot ich an, ihm einen Tag lang kostenlos zu assistieren, um einen Eindruck von seinem Arbeitsalltag zu bekommen. Zu meiner Verblüffung sagte er sofort zu. So etwas wäre mir in einem ganz normalen Job niemals passiert. Noch heute zähle ich diesen Tag mit ihm in SoHo zu den spannendsten meines ganzen Lebens. Ich goss zwar nur die Blumen auf seiner Dachterrasse, bestellte einer Horde schmuddeliger Typen, die garantiert in einer Band spielten, etwas zum Mittagessen und legte ein paar Unterlagen ab, aber letztlich ging es doch um etwas völlig anderes. Das hier war ich! Ich, die zumindest einen
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