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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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fragten sie, warum sie das eigentlich mache mit den Lebensmitteln und mit dem Schloß.
    Habe ich euch gefragt, wozu ihr das Zeug braucht? antwortete die Witte und versetzte dem geistlichen Deckbett ein paar klatschende Schläge.
    Recht hatte sie. Und vorsichtig nur sagte Johannes Gäntschow: Aber vielleicht könnte man es doch so einrichten, daß er sich nicht so schrecklich aufregt?
    |241| Und Christiane sagte: Gewiß kann er heute nicht richtig predigen.
    So?! fragte die Witte, und ihr böses, bitteres Gesicht flammte ordentlich. Kann er das nicht?! Sie stockte einen Augenblick, als wollte sie bremsen, aber dann konnte sie es doch nicht mehr halten. Hat er denn schon einmal »richtig« gepredigt?!
    Und aus diesen Worten sprach ein solcher Haß, daß sich plötzlich für Christiane und Johannes die ganze Welt umdrehte.
    Na ja, er ist kein Kirchenlicht … fing Johannes an.
    Ihr beide müßt jetzt gehen, sagte die Witte diktatorisch, ich mag solche Rederei nicht.
    Aber das Essen … fing Christiane wieder zögernd an.
    Wer verlangt denn von euch, daß ihr es mitnehmt?! Laßt es doch stehen, ihr …
    Hübsch geladen, sagte Johannes, und ich habe all die Jahre nie etwas davon gemerkt.
    Und Marder sicher auch nicht, der glaubt doch, sie ist seine beste Freundin …
    Schlimm eigentlich, sagte Johannes, das große, tote Haus, und er immer allein darin mit ihr. Und sie sein schlimmster Feind. Und er ahnt es gar nicht, daß sie ihm alles Böse antun möchte … Aber auch in diesem Punkt irrten sie sich und erfuhren wieder einmal, wie blind man durch diese Welt wandert, und wie man nie weiß, wo den Nächsten der Schuh drückt. Denn ein oder zwei Tage darauf sagte der Superintendent zu ihnen – und sein ganzes Fuchsgesicht war eitel Galle: Ich möchte euch etwas mitteilen, liebe Kinder …
    Ja, sagten sie und hatten schon wieder ein schlechtes Gewissen, denn das hatten sie in diesen Wochen eigentlich immer, wenn jemand sie anredete.
    Ihr habt doch gehört von diesen schändlichen Einbrüchen in meine Vorratskammer.
    Er hielt schon wieder inne und sah die beiden abwartend an.
    |242| Ich sehe schon, ich sehe schon, sagte er griesgrämig.
    Er pausiert. Und die beiden wissen nicht, wohin sie vor Beschämung sehen sollen.
    Wird viel darüber geredet? fragt der Superintendent leise, und beugt sich flüsternd nahe zu ihnen.
    Aber wir wissen wirklich nicht, Herr Superintendent, sagt Johannes Gäntschow verwirrt, wir sprechen ja mit niemandem.
    Aber ich sehe doch, sagt der Geistliche, auch ihr habt einen Verdacht. Er pausiert schon wieder. Es ehrt euch ja, wenn ihr einen solchen Verdacht nicht aussprechen möchtet. Nun, er hebt seine Stimme, er sieht zur Tür, er hat sogar die Hand zur Faust geballt – die Diebin ist Frau Witte selbst! Und die Hand fährt mit derbem Schlag auf die Tischplatte. Die beiden fahren zusammen. Sie werden etwas sagen müssen, aber was sollen sie sagen?
    Doch schon öffnet sich die Tür, und ein tritt Frau Witte.
    Hatten Sie gerufen, Herr Superintendent?
    Jawohl, schreit Marder, von Ihnen habe ich gesprochen. Ihren Namen habe ich genannt. Aber noch immer gilt es, daß der Lauscher an der Wand seine eigene Schande hört. Sie spuken hier in meinem Haus, alle die Jahre, die Sie hier sind, möchten Sie mir nur gebranntes Herzleid antun. Endlich sollen Sie einmal wissen, daß ich alles, alles weiß. Daß Sie nur darauf lauern, daß ich krank werde, um mich zu quälen! Aber ich werde nicht krank!
    Er steht triumphierend da, die Faust auf den Tisch gestemmt.
    Ich … fängt die Witte an.
    Wir … sagt Johannes.
    Bitte … sagt Christiane.
    Aber der Superintendent sieht nichts und hört nichts mehr. Wissen Sie nicht, daß ich gut weiß, wie Sie nachts an meiner Schlafstubentür kratzen, damit ich mich ängstige? Daß Sie oben auf dem Boden mit Gerümpel poltern, daß Sie nur darauf lauern, daß ich einen Fehler begehe, um sich zu |243| rächen. Aber ich ängstige mich nicht! Nein, den Gefallen tue ich Ihnen nicht! Und einen Fehler begehe ich auch nicht!
    Der Superintendent schreit schon längst.
    Und wie war’s am Grabe meines Mannes? fragt die Witte, und ihr Gesicht flammt. War das etwa auch kein Fehler?!
    Seht ihr, ruft der Geistliche zu den beiden Hörern, die fassungslos dem Sturm, den sie entfesselten, zusehen. Seht ihr, sie kann nicht verzeihen. Elf Jahre ist das her, aber sie verfolgt mich noch immer. Ich habe sie in mein Haus genommen, ich habe ihr alles zuliebe getan, sie vergißt nicht. Seit elf Jahren

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