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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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mehr so krank, er ist bloß noch überspönig.
    Aber bisher haben wir immer nicht gewollt, daß er schon wegging.
    Ja doch, ja doch. Aber nun wollen wir’s eben.
    Er stand verdrossen da. Die Enten hatten wohl von dem alten Kinderlied gehört: Kopf ins Wasser, Beinchen in die Höh’; sie taten’s ununterbrochen, und dem Johannes kam das ununterbrochen abgeschmackt vor.
    Manchmal, sagte er, ist die alte Insel doch wirklich zu klein. Daß einen hier jeder kennt, und daß man jeden Weg weiß und jedes Haus und die Geschichten in den Häusern – nein, manchmal möchte ich durchaus raus aus alledem. Weit |246| weg. Und dann denke ich doch wieder, daß man nirgend anders richtig leben kann. Ach, rief er verzweifelt aus. Ich habe alles so über –!
    Du mußt dich nur drei, vier Nächte wieder einmal richtig ausschlafen, tröstete sie ihn. Du hast einfach zu wenig Schlaf, darum bist du so. Und ich denke, am besten kommst du jetzt mit mir. Und unterwegs baden und schwimmen wir tüchtig, dann ist dir auch schon wieder anders.
    Nun, sie taten es. Aber wenn ihnen wirklich anders geworden war, so hielt es jedenfalls nicht lange vor, denn gleich auf der Bodentreppe begegnete ihnen Elfriede Saaß. Und der Blick, mit dem die sie ansah, war frech und verlegen zugleich.
    Nanu, sagte Johannes stirnrunzelnd und blieb stehen.
    Elfriede! rief Christiane.
    Aber Elfriede, das Stubenmädchen, mit den vollen, roten Backen und der starken Brust unter dem schwarzen Kleid, mit der weißen Schürze, ging weiter treppab, als kennte sie keine junge Gräfin, und hörte nichts.
    Die beiden sahen sich nur an und gingen rasch nach oben. Siehe da, die Rumpelstubentür stand wieder auf, und der Bullenberger saß auf seinem Bett und sah die beiden grinsend an.
    Was hat die Elfriede bei Ihnen zu suchen? sagte Johannes und zitterte vor Wut.
    Elfriede? fragte der Bullenberger und sah sich die beiden an, als seien sie komische kleine Tierchen. Heißt die Elfriede?
    Der Junge stand einen Augenblick schweigend. Er zitterte – Christiane aber sah sich in der Stube um, als sei nun alles zerschlagen und die ganze Kindheit mit all ihren Erinnerungen dazu.
    Sie geben mir jetzt auf der Stelle den Nachschlüssel, befahl Johannes.
    Den Nachschlüssel? fragte der Bullenberger. Hast du mir denn einen gegeben, Hannes? fragte er.
    |247| Her damit, schrie Johannes und verlor seine letzte Selbstbeherrschung, und heute nacht ziehen Sie los!
    Glaube ich nicht, sagte der Bullenberger, es ist noch zu früh. Und meine Schulter ist auch noch nicht so, wie sie sein sollte.
    Aber dafür ist es Ihnen nicht zu früh, schrie Johannes, daß Sie hier verdammte Weiber in unsere Stube holen und machen uns alles dreckig, was?
    Ich verstehe nicht, was du willst, sagte der Bullenberger. Ich hab’s doch hier wirklich langweilig genug, und eine sehr berühmte Gesellschaft seid ihr beide auch nicht.
    Aber, fing Johannes an.
    Und wenn ich da einmal durch den Türspalt gucke, wenn grade ein hübsches junges Mädchen auf dem Boden ist und da rumkramt, dann ist es ja wohl kein solches Verbrechen, daß du mich hier anschreien mußt.
    Es war alles bitterste Kränkung und Entweihung. Schon, daß er in Christianes Beisein von hübschen, jungen Mädchen sprach, daß er in des Grafen Pyjama sich Elfriede ansah, wenn er sie sich wirklich nur ansah … Daß er in ihrem Zimmer, in dem sie ihre liebsten Bücher zusammengetragen, ihre geheimsten Dinge aufbewahrt hatten, mit seinem dreckigen Priemmaul lag … Da war zum Beispiel dieser Stein mit der unlesbaren Inschrift, den sie in einer Sandgrube gefunden hatten. Der Bullenberger hatte ihn sich unten auf die Steppdecke gelegt, weil er behauptete, das olle seidene Ding rutschte immer so. Da waren die goldenen Armringe aus dem alten Hünengrab. Der Bullenberger hatte damit geklingelt und sie angefaßt und hatte sie auf dummen Goldwert taxiert …
    Nein, sagte Hannes entschlossen, Sie müssen heute nacht noch weg. Sie können’s auch. Verstehen Sie nicht, daß wir das über haben mit Ihnen. Wenn’s noch nötig wäre, aber so!
    Es ist aber nötig, sagte der Bullenberger und wandte sich an Christiane, und Ihr Wort habe ich auch. Und wenn dieser blöde Bauerntöffel mich zehnmal rausschmeißen will, dann sollten Sie ihm sagen …
    |248| Aber es kam nicht zu dem, was Christiane sagen wollte. Es kam in diesem Leben zu überhaupt keinem Wort mit dem Bullenberger mehr, in diesem Leben nicht. Denn die Rumpelstubentür ging auf, und Elfriede stand darin, und auf

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