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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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und hielt dem Hannes das Tauende unter die Nase. Riechst du das?
    Gewiß. So, unter die Nase gehalten, roch es eine Spur nach Teer.
    Aber daß so ein Ende Tau aus irgendeinem Bodenwinkel heraus durch eine verschlossene Tür aufs Lager des Bullenbergers seinen Teergeruch entsandt haben könnte, überstieg des Johannes Glaubenskraft.
    Die Veranda unter Ihrem Fenster ist auch geteert, sagte der Junge wütend. Nachher gehen Sie das nächste Mal auf dem Verandadach spazieren. Christiane hat wirklich Ihretwegen schon genug Schwierigkeiten.
    Ach laß, bat Christiane.
    Wird bald vorbei sein mit den Schwierigkeiten, brummte der Bullenberger und ging ganz willig in sein Gefängnis. Wo habt ihr denn meine Kleider?
    Hannes ist dumm, antwortete Christiane. Er schläft zu wenig. Erstens ist Ihre Schulter noch nicht geheilt, und zweitens ist ordentlich nähen schrecklich schwer. Die Kleider sind doch an der Schulter ganz kaputt.
    Na schön, schön, sagte der Bullenberger, zog die Decke über sich, behielt den Strick aber in der Hand. So ein Strick |239| ist eine gute Sache, sagte er. Man kann ihn immer gebrauchen. Auf einem Schiff ist ohne Strick überhaupt nicht auszukommen. Aber auch auf dem Land, auf dem Land …
    Er sah sie nicht an. Er sah den Strick an. Er war in einer bösen, gereizten Stimmung. Sicher schmerzte ihn auch seine Schulter vom Aufstehen besonders stark.
    Kälberstrick, sagte er und machte eine Öse in das Tauende. Schweinestrick kann man auch sagen. So ums Bein gelegt, ein Ruck, und das Biest liegt da. Dann nur noch das Messer und abgekehlt. Alles in Ordnung.
    Er entfernte die Öse und machte eine Schlinge.
    Aber ich sage nichts, schon gar nicht auf so ’nem Dachboden, ich sage nichts, aber zunutze kann er einem immer sein …
    Und ich sage Ihnen, rief Johannes wütend, wenn Sie solche Schweinereien machen wollen, dann tun Sie es gefälligst im Wald! Und schwätzen Sie nicht vorher davon!
    Hannes schrammte die Tür zu und war weg. Natürlich, es war nicht zu leugnen, auch Johannes war gereizt und böse. Je länger, je schwerer lastete alles auf ihm. Nicht um des Bullenbergers willen, sondern um Christianes und um seiner selbst willen. Nun schön, er war nicht in voller Wut, er rannte nicht fort, er wartete unten auf sie, aber unterdessen dachte er immerzu darüber nach, was eigentlich mit ihm und ihr und mit dem los war. Sie hatten auch früher schon Sachen gemacht, die den braven Bürgern Fiddichows die Haare unter der Mütze hochtrieben, aber etwas anderes war nun dazugekommen. War die Welt wirklicher um sie geworden, trieben sie auf irgend etwas hinaus, ähnlich wie in jener Eisschollennacht, was immer folgenschwerer und unübersehbarer wurde?
    Ich möchte, er zöge bald ab, sagte er zu Christiane.
    Jetzt schläft er, sagte sie. Ich glaube, er hat lange nicht ordentlich geschlafen.
    Na ja, sagte Johannes, wieder besänftigter, natürlich ist er unser Gast. Aber das mit dem Tau ist das reine Theater. Ich |240| glaube manchmal, er will uns einfach schrecken. Ich zerbreche mir auch den Kopf, was mit der Witte los ist.
    Mit der Witte war, daß sie drei oder vier Tage später ganz nebenbei und mit unbewegtem Gesicht sagte: Ich habe euch auch wieder was hingestellt, hinter den Birnbaum, bei den Haseln, wo ihr es das erste Mal hattet. Seht zu, daß es heute mittag noch wegkommt.
    Es stand wirklich so allerlei da. Man mußte beinahe glauben, die Witte hatte eine Ahnung, daß sie einen Kranken zu versorgen hatten. Sogar Eingemachtes und Wein. Christiane und Johannes waren in großer Aufregung. Was wußte die Witte, und warum tat sie das ihrem geliebten Superintendenten an? Denn wieder, kaum waren die Lebensmittel fort, erschien sie bei ihrem Geistlichen und meldete den neuen Diebstahl, und dasselbe eine Woche später noch einmal.
    Marder war ganz wild. Er ließ ein neues Sicherheitsschloß an die Vorratskammer machen und das Fenster vergittern, aber auch der Christiane und dem Johannes war solch heimlicher Verbündeter unheimlich. Und als nun noch eines Morgens das neue, teure Sicherheitsschloß fein auseinandergenommen vor der Speisekammertür lag, auf einem Blatt Zeitungspapier, als der Marder ganz verwirrt losgefahren war, über Land, zu einer Trauung …: Und ich werde bestimmt nicht predigen können, so etwas Verrücktes, das Schloß auseinandergenommen – wer verhöhnt mich denn da?!
    Als also der Marder für vier oder fünf Stunden außer Sicht war, da faßten sie sich ein Herz und gingen zu der Witte und

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