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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Kammer sorgenvoll prüfen, was da |236| wohl fehlte. Aber nun wären sie wohl ganz verraten gewesen, denn bei ihrem einen Einkauf im Laden hatte der Kaufmann Stavenhagen schon so komische Nasenlöcher gemacht und hatte durchaus verlangt, es »aufs Konto« schreiben und mit einem Boten ins Schloß schicken zu dürfen.
    Nun also, sie wären ganz ohne Ausweg gewesen, und der Bullenberger hätte ja bei einer Kost aus Kartoffeln und Augustäpfeln langsam eingehen dürfen, wenn sie nicht noch bei Marders Haushälterin, Frau Witte, einen Versuch gemacht hätten.
    Die Witte war jene wortkarge, verbissene, bittere Fischersfrau, der vor vielen Jahren nun schon erst der Mann, dann die beiden Söhne beim Fischfang ertrunken waren. Damals hatte Marder sie in sein Haus genommen, sie, die wirr und sinnlos von ihrem Fenster auf den Bodden hinaussah und nur manchmal, wehte der Wind steifer und lärmte die See lauter, das Fenster aufriß und die Wellen beschimpfte. Marder hatte sie zu sich genommen, er hatte ihr Arbeit gegeben, einen Lebenszweck gewissermaßen – um sie vor dem Mallwerden zu retten, sagten die einen, um ein geheimnisvolles Vergehen gutzumachen, die andern – aber was eigentlich für ein Vergehen, konnte niemand mehr sagen.
    Seitdem waltete sie wie ein Geist, dem Sprache nicht gegeben ist, in dem großen Haus, räumte ununterbrochen hinter dem flusigen und zerstreuten Mann her und ließ nie ein Wort von all seinen Wunderlichkeiten und seinem Geiz über ihre Lippen. Es würde nicht leicht sein, diesen Hausdrachen, von dem man nie wußte, was er sah und was er nicht sah, zu bestehlen, und richtig kam die Witte auch über sie, als sie gerade in der Speisekammer mit dem Zusammenpacken beschäftigt waren.
    Eben hatten sie sie noch mit einem Wäschekorb abziehen sehen zum Trockenplatz, und nun, drei Minuten später, stand sie zwischen ihnen. Sie mußte es direkt gerochen haben.
    Wat det Düvels makt ji in min Spieskomer! sagte sie und starrte die beiden Erwischten grenzenlos verblüfft an.
    |237| Och, Mudding Witte, sagte Johannes schmeichlerisch, das kann Ihnen ja nicht auf das bißchen Essen ankommen, und Marder braucht es ja nicht zu wissen.
    Er braucht das nicht zu wissen?! fragte Frau Witte, und ein gefährlicher Funke erglomm in ihrem Auge. Er soll das wissen! Gleich, diese Stunde! Da, nehmt das noch! Könnt ihr Speck brauchen? Nehmt Speck! In diesen Gläsern ist Kronsbeeren-Eingemachtes. Das ißt er für sein Leben gern! Nehmt! Und legt alles unter die Verandatreppe. Da könnt ihr euch das dann am Mittag abholen.
    Die beiden starrten die Alte, die ihnen immer mehr Lebensmittel aufdrängte, aus allen Himmeln gefallen an. Was hatte sie vor? Was wollte sie eigentlich? Mitnehmen mußte man es, denn der Bullenberger hatte Hunger, aber besser versteckten sie den Proviant doch nicht unter der Verandatreppe, sondern in den Haseln beim Birnbaum.
    Zwei Stunden später saßen sie unter Marders Leitung über dem Thukydides, als die Tür aufging und die Witte dastand. Na, fragte Marder?
    Einbruch, sagte die Witte.
    Was? schrie Marder.
    Einbruch! sagte die Witte und verzog nicht eine Miene.
    Wie? schrie Marder. Entschuldigt, ich muß eben mal …
    Und in einem Galopp war er draußen. Er tauchte nur kurz eine halbe Stunde später wieder auf: Ihr müßt mich heute entschuldigen. Präpariert das nächste Kapitel! Die ganze Speisekammer geplündert … Ein schamloser Dieb! Und ausgerechnet jetzt, wo kein Gendarm hier stationiert ist …
    Die beiden starrten sich an. Sie verstanden gar nichts.
    Was sie nur mit ihm vor hat?
    Will sie ihm seinen Geiz abgewöhnen?
    Ach, das weiß sie schon längst, daß es damit nicht anders wird!
    Und sie hängt doch so an ihm!
    Ich verstehe nichts, aber jedenfalls haben wir erst einmal für drei, vier Tage Proviant.
    |238| Wenn sie uns nur nicht reinsenkt!
    Das hätte sie doch gleich tun können, als sie uns in der Speisekammer traf.
    Ja, eben. Ich verstehe es auch nicht.
    Sie schleppten ihren Proviant aufs Schloß, und um das Maß ihrer Verwirrung vollzumachen, fanden sie den Bullenberger trotz verschlossener Rumpelzimmertür auf dem Dachboden spazierengehen, in einem blauen Pyjama des Grafen, mit nackten Füßen, nackter, zottiger Brust und einem Ende Tau in der Hand.
    Ich hab das hier gefunden, sagte er, etwas verlegen.
    Wieso gefunden? fragte Johannes empört. Die Tür war doch zugeschlossen. Und alle Augenblicke kommen die Mädchen auf den Boden, um etwas abzustellen.
    Da, sagte der Bullenberger,

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