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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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ihrem hübschen, robusten Gesicht hatte sie wieder diesen aus Frechheit und Verlegenheit gemischten Zug. Aber was sie dann sagte, klang gar nicht so sehr verlegen.
    Sie sei so auf dem Boden, sagte sie geläufig, sah aber niemanden an, nicht einmal den Bullenberger, und sehe die Wintersachen nach, ob nicht die Motten darin seien, ganz, wie es Mamsell Hannemann angeordnet habe. Aber wenn so laut gesprochen würde, sie sei bei weitem nicht taub, und was das anlange, so habe sie sich schon viele Wochen gewundert, warum in des Herrn Grafen Wäscheschrank nie mehr Ordnung sei. Und die Mamsell Hannemann zähle sich ja wohl von Sinn und Verstand wegen der fehlenden Pyjamas und Handtücher und Bettwäsche. Aber der arme Dienstbote müsse so etwas ja immer entgelten, und eine Gräfin würde darum nicht von früh bis morgens angebellt und herumgehetzt und gerate womöglich noch in Verdacht, und der Landgendarm immer dicht über dem Schließkorb. Aber wenn sie auch erst neunzehn Monate und zwei Wochen auf dem Schloß sei, von der Eisscholle habe sie doch gehört, und wenn sie die richtige Feinheit auch nie lernen würde, sie für ihr Teil meine, der Bullenberger habe es nicht nötig zu bitten. Fein komme von dünn, das habe ihr Vater schon immer gesagt. Und wenn sie eben nicht fein sei, so könne sie doch feste zufassen, und ihr mache es nichts aus, noch einen Mann mitzubesorgen neben all ihrer Arbeit. Und wenn es eben mit den feinen, seidenen Pyjamas zu Ende gehe, so werde sich der Bullenberger auch in einem ihrer Hemden ganz wohl fühlen, die Breite über die Brust habe sie. Aber …
    Doch nun war es Christiane, die zu Johannes Gäntschow Komm flüsterte, und vermißt wurden sie hier ebensowenig wie im Superintendentenhaus, und wenn sie da hinten der Haß vergessen hatte, so war es hier oben die Liebe, oder was |249| solche eben Liebe nennen. Und das war nicht etwa Christiane, die das sagte, sondern der Bauerntöffel, der Johannes. Und überhaupt hatten sie in den nächsten Tagen ja nun genug Gelegenheit, darüber nachzugrübeln, wieso es mit dem Bullenberger trotz allen ehrlichen Willens nicht gegangen war. Denn Zeit hatten sie jetzt wieder, genug zum Ausschlafen und genug zum Grübeln, da der Bullenberger ganz offiziell in eine andere Pflege übergegangen war. Daß er sich aber da wohler fühlen mochte als in der ihrigen, das bezweifelte nicht einmal Johannes, der über solche Liebe so abschätzig urteilen konnte.
    Fein kommt von dünn – und Johannes wenigstens wurde sich ganz klar darüber, daß zwischen ihm und dem Bullenberger alles glänzend hätte gehen können. Da
er
jedenfalls in keiner Beziehung »dünn« geworden war, in gar keinem Sinne, so mußte es an etwas anderem liegen. Und wenn er auch flüchtig an seine sich ständig mehrenden Bücher zu Hause dachte, oder daran, daß er jetzt an einem gräflichen Tisch mitessen konnte, ohne sonderlich beschämt zu sein, oder daran, daß er jetzt in heilen und sauberen Anzügen herumlief – so äußerlich konnte es eigentlich nicht liegen.
    Weißt du, sagte Christiane, wir sind doch noch sehr jung. Und er hat sich wohl nie gern kommandieren lassen.
    Ja, das ist möglich. Und dann hat er sich nicht so benehmen können, wie er gerne wollte.
    Wie wollte er sich denn benehmen?
    Ach, Tia –! Na, lassen wir’s ruhen. Bei Elfriede wird er sich schon wohler fühlen.
    Gewiß. Und ich störe ihn sicher nicht wieder …
    Aber – und das erfuhr nicht einmal der Johannes – wenn sie bestimmt wußte, daß die Elfriede irgendwo unter den Augen der Hannemann bei einer längeren Arbeit saß, dann schlich sie sich doch wieder die Bodentreppe hinauf und ging auf Strümpfen zu der Tür, die jetzt für sie verschlossen war, und lauschte auf das Räuspern drinnen und auf das Hinundhergehen oder ein ärgerliches Wort, das er zu sich selbst sprach.
    Dann war sie froh und traurig zugleich, froh, daß er mit |250| der ungeheilten Schulter nicht schon hatte fortmüssen, und traurig, weil sie nun ihr Wort doch nicht hat halten können, das sie ihm damals auf dem Kutter gegeben hat. Denn eigentlich hatte sie ihm ihr Wort ja nicht nur für sich gegeben, sondern auch für ihren Vater, von dem er so verächtlich gesprochen hatte, und für alle, alle mit, die so waren wie sie. Daß er denen mißtraute, das fühlte sie gut. Sechzehn Jahre – und sie ging herum und ihr Herz war bedrückt, und über dies Allerwichtigste konnte sie mit Hannes auch nicht reden, wenn der auch längst kein Bauernjunge war,

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