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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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so fest er auch daran glaubte. Und Papa –? Dem Papa konnte man alles sagen, und dem Papa konnte man alles erzählen, vielleicht sogar dies. Und was Papa dazu sagen würde, würde sicher richtig sein. Und doch würde es ihr wunderbarerweise gar nichts helfen.
    So ging sie grübelnd umher, und die alte Brettertür oben verlor, wenn auch die Tage gingen und zu Wochen wurden, nichts von ihrer Anziehungskraft. Fein? Jawohl, sehr möglich, aber beharrlich dabei, störrisch konnte man auch sagen. Hannes sprach immer weniger vom Bullenberger. Er begnügte sich damit zu fragen, ob er denn noch immer nicht fort sei, und zu schimpfen, wenn sie das verneinte. Hannes war mit dem Bullenberger erst einmal durch, aber sie war mit ihm noch nicht durch. Sie stieg weiter die Bodentreppe hinauf und schlich in Socken an seine Tür. Das war nun einmal so. Da machte sie sich nichts vor. Das Leben hatte ihr eine Aufgabe gestellt, und sie hatte versagt.
    Wie sie da aber einmal wieder über den Boden schlich und gerade in Sicht von der Tür kam, da sah sie mit tiefem Erschrecken ein Mädchen an dieser Tür, und sie hatte doch eben noch die Elfriede unten beim Erbsenpalen gesehen! Wie sie da aber noch so zaudernd stand, drehte das Mädchen sich um und sah sie, und da war es nicht Elfriede, sondern die Berta, die an des Bullenbergers Tür lauschte!
    Das ältliche Mädchen hatte ein flammendes Gesicht, als es seine junge Herrin da stehen sah. Viele Jahre war sie schon |251| auf dem Schloß. Fast so lange wie Christiane lebte, und Christiane war immer Bertas Liebling gewesen. Aber jetzt ging Berta mit rotem Gesicht, ohne eine Miene zu verziehen, an ihr vorüber, als sähe sie sie nicht und sah sie dabei doch gerade mit ihren grauen, bösen Augen an. Und Christiane tat etwas, was sie nie von sich gedacht hätte: sie wartete ab, bis der Schritt Bertas ganz unten auf der Treppe verklungen war, und dann nahm sie ihre Schuhe und versteckte sich hinter einem Koffer, von dem aus sie Blick auf die Tür hatte. Da saß sie eine lange Zeit, und von der stickigen, staubigen Bodenluft wurde es ihr ganz müde und benommen im Kopf. Aber sie hielt aus.
    Schließlich kam wirklich Elfriede und kratzte in einer besonderen Art an der Tür, und die Tür wurde aufgemacht, und dann hörte sie die beiden reden und merkte, daß sie sich abküßten, und …
    Fein, jawohl, doch nicht die Spur zimperlich, aber was für eine häßliche Welt! Ihr Kopf schmerzte von der eingeschlossenen Luft. Und jetzt stand auch noch die ältliche Berta mit dem bösen, faltigen Gesicht hochrot an der Tür, und nun belauschten sie zu zweien, was die taten. Sie hätte die andere am liebsten weggejagt. Es war ekelhaft, wie sie dastehen und so etwas belauschen konnte, und daß man so etwas mit so einer im Herzen gemeinsam hatte …
    Und plötzlich mußte sie daran denken, was jetzt wohl der Hannes getan hätte. Und schon stand sie mit ihrem schweren, benommenen Kopf auf und ging ruhig an der zusammengeschrockenen Berta vorüber, über den Boden, die Treppe hinunter in ihr Zimmer. Sie zog sich langsam und tief in Gedanken aus und lief im Bademantel hinüber in das Badezimmer und duschte sich eiskalt ab und legte sich in einem frischen Schlafanzug in ihr frisches, weißes Bett.
    Aber gleich war sie wieder ganz heiß und alles stimmte nicht. Nicht die Weiße, nicht die Reinheit, nicht die Kühle. Und sie hätte gern fortgehen mögen, wenn sie nur gewußt hätte, wohin man in einem solchen Zustande geht. Aber |252| dann war ihr wieder alles gleich. Und sie hätte nur gerne gemocht, daß Mademoiselle nicht so viel gefragt hätte. Aber dann war es doch wieder gut, daß der Papa an ihrem Bett saß und ihre Hand hielt und gar nichts fragte. Später kam dann noch der dicke, alte Doktor Westfahl und machte ein paar Witzchen, und sie lächelte höflich dazu, und plötzlich fiel ihr bei diesem Lächeln ein, daß sie ja den Bullenberger vor der Berta warnen müsse. Und die beiden Herren hatten tüchtig zu tun, sie in ihrem Bett zu halten. Da bat sie darum, daß sofort nach Johannes Gäntschow geschickt würde, und das wurde ihr auch fest versprochen. Aber sie glaubte dem Versprechen nicht. Sie traute denen nicht. Vielleicht dachten die, sie wäre krank. Aber sie war nur müde und hatte sich zu sehr geekelt.
    Dann vergaß sie wieder alles. Und sie saß mit Johannes am Kehlteich unter dem alten Stein, die Sonne stand heiß am Himmel, die Schlehen waren ganz voll weißer Blüten und dufteten sehr süß. Und es

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