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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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war sehr gut, daß die Fidder und die Gäntschower Kinder endlich einmal beieinander saßen.
    Es mußte tiefe Nacht geworden sein. Es war so still in Haus und Hof. Da ging wieder die Türe in ihrem Zimmer auf und Papa trat ein und flüsterte einen Augenblick mit der Miss, und die Miss lief eilig fort. Der Papa aber setzte sich neben ihr Bett und faßte ihre Hand, und plötzlich fühlte sie, wie seine Hand zitterte.
    Was ist, Papa? fragte sie ängstlich.
    Nichts ist, sagte er. Ich möchte nur ein Weilchen bei dir sitzen.
    Du brauchst doch keine Angst zu haben um mich, Papa, ich bin nicht mehr sehr krank.
    Nein, nein, sagte er beruhigend, aber ich darf doch noch eine Weile hier bei dir sitzen?
    Doch sie fühlte, daß etwas nicht stimmte, und sie sagte wieder: Ich fühle doch, Papa, es ist was. Sage es mir doch.
    Du mußt nachher nicht erschrecken, sagte der Papa sanft. Eins von den Mädchen hat eine Dummheit gemacht. Sie |253| hatte wohl eine Liebschaft mit dem Bullenberger und hat ihn hier im Hause versteckt …
    Ja, ja, sagte Christiane mit angstvoll geöffneten Augen, weiter!
    Du sollst dich nicht aufregen, Christa. Ich weiß, du denkst jetzt an die alten Zeiten, an die Eisscholle und an alles. Aber die alten Zeiten sind vorbei, und der Bullenberger ist ein schlechter, böser Mensch …
    Und –? Weiter! Weiter! drängte Christiane.
    Und ein anderes Mädchen hat wohl davon erfahren und hat es der Gendarmerie angezeigt. Und jetzt ist das Haus umstellt. Und wenn er sich wehrt, wird vielleicht geschossen. Ich wollte es dir nur sagen, damit du dich nicht erschreckst.
    Papa! sagte Christiane und saß nun aufrecht in ihrem Bett. Nun mußt
du
nicht erschrecken.
Ich
habe den Bullenberger hier im Hause versteckt, nicht die Elfriede. Und die Elfriede hat ihn mir nachher weggenommen. Aber immer habe ich mich um ihn gegrämt … Ach, Papa …
    Und sie sieht angstvoll zitternd auf den Vater, der fahl an der Wand steht.
    Christiane, sagt er. Meine Tochter Christiane …
    Und du mußt sofort hinaufgehen, Papa, und mußt ihn sofort warnen. Er hat mir das Leben gerettet, und sei er, wie er sei, nicht in unserem Hause darf er sterben.
    Ach, Christiane, sagte der Vater.
    Oh, da stehst du, rief sie gramvoll, da stehst du, und vielleicht erschießen sie ihn gleich … Ach, hättet ihr doch zu Johannes Gäntschow geschickt, wie ich gebeten habe. Hannes würde ihn noch jetzt aus dem Haus schmuggeln.
    Johannes Gäntschow? fragte der Graf. Weiß der Hannes darum?
    Aber gewiß doch, Papa, sagte Christiane eilig, er hat ihn doch erst hierher gebracht. Und wir haben ihn doch immer zusammen versorgt. Aber ich kann dir jetzt nicht alles erzählen. Du mußt hinauf zu ihm, Papa, um meinetwillen, um unser aller willen mußt du hinauf zu ihm …
    |254| Gut, sagte Graf Fidde, ich gehe jetzt hinauf, Christiane, weil du nun einmal dein Wort gegeben hast …
    Geh, geh! drängte sie, und er ging schon zur Tür …
    Aber da hörten sie, daß es schon zu spät war. Sie hörten einen Aufschrei wie von einer Frau, und dann hörten sie ein Brüllen, ein wütendes, tierisches Brüllen, und schon knallte es, nicht einmal, sondern einmal und dann rasch hintereinander, viele, viele Schüsse. Verwirrtes Rufen und Schreien hörten sie, und auf den Treppen polterte es, und sie hörten das: Haltet ihn, dort! Und wieder Schüsse.
    Lauf doch, Papa, lauf doch, rief Christiane. Ist er weggekommen?
    Und der alte, graue Papa lief.
    Nach einer Zeit, nach einer langen, langen Zeit kam er wieder.
    Ist er weggekommen? fragte Christiane.
    Ja, er ist weggekommen, sagte der Graf.
    Wenn er weggekommen ist, sagte Christiane aufatmend, dann bringt ihn der Hannes schon von der Insel. Hannes schafft es. Dann kriegen sie ihn nicht.
    Nein, die kriegen ihn nicht, sagte der Graf. Der ist weggekommen. Und nun gib mir deine Hand, Christa, und schlafe ein.
    Und das tat sie denn auch. Plötzlich war sie sehr müde und glücklich. Und mit ihrem Wort und Versprechen war nun auch alles wieder in Ordnung gekommen.
    Aber wie nun auch der Graf Fidde sein mochte, und was er auch noch in jener Nacht besprochen haben mochte – am nächsten Morgen jedenfalls war er mit seiner kranken Tochter abgereist, und die ganze Last des erschossenen Bullenbergers kam nieder auf Johannes Gäntschow. Nun ja, der Bullenberger war tot. Und die Herren wollten wohl auch die Untersuchung ob jenes rätselhaft langen Aufenthaltes auf Schloß Fidde nicht mit allem Nachdruck führen, aber jedenfalls hatte der

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