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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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ihre Kinder. Der Max ist das Dussel. Sieht nicht, was vor Augen ist. Und ich soll dann die Kinder von einem Elektriker, der heute hier und morgen da ist und seine Kuckuckseier in alle Nester legt – ich soll darum die fremden Gören auf unserm Hof aufziehen!
    Nein, sagt auch Hannes, das ist unser Hof.
    Siehst du, sagt der Vater befriedigt. Du kriegst den Hof ja doch nicht, wenn du jetzt auch Landwirt wirst und der Klügere bist, denn du bist der Jüngere. Und der Max ist der Ältere und kriegt ihn darum.
    Das mit der Lene wird doch nichts, da ist der alte Stavenhagen viel zu schlau, der weiß jetzt, daß ich nicht nachgebe. Der wird unserm Max schon sanft und deutlich den Stuhl vor die Tür setzen, wenn er erst einen Schwiegersohn gefunden hat. Er wird sich schon noch einen kaufen. Geld genug hat er. Das deckt die Kinder so zu, daß sie keiner mehr sieht.
    Der Alte schwieg. Plötzlich war er wieder mürrisch geworden, und sie gingen schweigend auf den Hof zu. Im Zimmer saß die Mutter und strickte.
    |308| Was den Teufel ist denn das? rief der Vater. Du knüttest – sollen wir denn heute kein Abendessen haben?
    Ich stricke dem Hans erst noch rasch ein Paar Strümpfe, sagte die Frau und sah hoch mit ihren armen, verwirrten Augen unter der blaugrauen Stirn. Ich hab mir ausgedacht, wenn ich die Nacht durch stricke, bin ich morgen früh fertig. Holt euch Brot und Speck mal selber. Heißer Kaffee steht in der Kanne.
    Der Alte sah den Sohn an, der Sohn den Vater.
    Also holen wir uns alles, sagte der Vater. Wir gehen zu mir rüber. Ruf du den Max.
    Zu einer späten Stunde ging der Sohn noch einmal durch die Ställe. Er blieb bei jedem Tier stehen und sah es noch einmal an. Er nahm Abschied von dem Hof, er wußte nun, er würde werden, was er wollte: Landwirt. Aber er würde es werden mit jener Einschränkung, die das Leben fast jeder Erfüllung beizumengen weiß: kein freier Landwirt, kein Bauer, sondern ein landwirtschaftlicher Beamter bei irgendwelchen Rittergutsbesitzern.
    Zu dem Rappen ging er noch in den Stand. Der Rappe war ihm in diesen letzten Arbeitstagen besonders lieb geworden. Er war ein fleißiges Tier, immer willig, ohne eine Spur von Arg. Einen Augenblick war er in der Versuchung, dem Rappen aus der Futterkiste noch eine halbe Schwinge Hafer zu geben. Aber er schüttelte den Kopf: Ordnung war alles und Verwöhnung nichts.
    Trotzdem sah er auch noch in das beleuchtete Zimmer. Er wollte sehen, ob er die Mutter nicht doch noch ins Bett listete. Bis morgen früh zur Abfahrt würde sie vielleicht einen halben Strumpf fertig haben.
    Die Mutter saß auf der Bank am warmen Ofen und schlief. Die grauen Haare hingen ihr trübe ins Gesicht, der häutige Mund mit vielen Falten und Fältchen war streng geschlossen, ihr Gesicht sah bemüht und kummervoll aus, als dächte sie über eine zu schwere Aufgabe nach. Am Strumpf waren sechs oder sieben Touren gestrickt.
    |309| Der Sohn sah ernst auf das stille Bild. Leise ging der Atem der Mutter, eine Katze kam hinter dem Ofen hervor und strich schnurrend mit gestrecktem Schwanz gegen seine Beine. Die Mutter hatte die Augen geöffnet. Sie sagte vorwurfsvoll, in einem klagenden Ton: Warum hast du bloß nicht die Strümpfe mit in den Rucksack getan, und schlief wieder ein. Der Sohn drehte sich langsam um, scheuchte die Katze fort und stieg die Treppe hinauf zum Giebelzimmer.

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    |310| VIERTER ABSCHNITT
Liebes- und Ehegeschichte des Helden
    Am 1. Januar des Jahres 1919 wurde Johannes Gäntschow Administrator auf der Begüterung Schadeleben der Frau von Brest, geborenen Freiin von Laeven. Das Rittergut, über fünftausend preußische Morgen groß, fast durchgängig leichter Boden, lag in Hinterpommern im Kreise Regenwalde und gehörte allein der gnädigen Frau. Es gab auch einen Regierungsrat von Brest, der bis zur Revolution in irgendeinem Berliner Ministerium irgendwie tätig gewesen war, sich nun aber hatte pensionieren lassen.
    Die Familie, nur Mann und Frau – eine alte, unverheiratete Tante des Mannes, ein Fräulein von Brest, war kaum dazu zu rechnen –, war erst im November 1918 von Berlin nach Schadeleben übergesiedelt (wo man in früheren Jahren immer nur ein paar Sommerwochen zugebracht hatte). Frau von Brest hatte rasch entdeckt, daß ihre Beamten bisher gar zu gut auf ihre Kosten gekommen waren, und da hatte die etwa vierzigjährige, sehr energische Frau nicht viel Federlesens gemacht. Sie hatte noch lauter gebrüllt als der apoplektische Herr Administrator

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