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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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war nur kurz: Da ich zu Ostern |313| heiraten werde, bitte ich, das Beamtenhaus instand zu setzen.
    Am nächsten Morgen mußte sie feststellen, daß nicht Mist gefahren, sondern gedroschen wurde, und als sie ein wenig erregt fragte, warum denn eigentlich, sagte Herr Gäntschow nur: Weil es richtig ist, und ging ab aufs Feld. Sie sah ihm sehr erstaunt nach.
    Zu diesem Erstaunen gab er ihr in der nächsten Zeit noch häufiger Gelegenheit. Zu ihrer nachdenklichen Verwunderung stellte sie aber fest, daß ihre Leute, die natürlich auch durch diese verwirrten Zeiten ein wenig durcheinander geraten waren, diesem Mann blindlings gehorchten, während sie, wenn von ihr etwas angeordnet wurde, sich zögernd hinter dem Kopf kratzten und vorsichtig meinten: Da müssen wir wohl erst Herrn Gäntschow fragen.
    Die gemeinsame Tischmahlzeit, die sie dem ehemaligen Oberleutnant ausnahmsweise bis zu seiner Verheiratung stillschweigend konzediert hatte, bestellte er ebenso stillschweigend bei der Mamsell wieder ab und aß auf seinem Zimmer. Zu den dann von ihr angesetzten Vormittagsappellen erschien er nur höchst unregelmäßig und begründete das damit, daß die Wirtschaft vorginge. Schritt für Schritt, ganz unmerklich, drängte er sie aus jeder Position. Die Leute kamen auch mit ihren persönlichen Anliegen nicht mehr zu ihr, sondern zu ihm, ihn riefen die Getreide- und Düngemittelhändler aus Plathe, Regenwalde, Dramburg und Stettin an, jeder auf den Hof kommende Vertreter wurde selbstverständlich zu ihm gebracht. Die Wirtschaft entglitt ihr völlig, und den Rest gab er ihr, als im Frühjahr das große Eierlegen und Brüten begann und sie ihn wegen Auslauf, Aufzucht, Futtermitteln sprechen wollte. Er sagte nur: Mit Hühnervolk habe ich nichts zu tun. Das sind Frauensachen. Wenn Sie nicht damit zurechtkommen, engagieren Sie sich am besten eine Geflügelmamsell.
    Sie hätte, herrschsüchtig und selbstüberzeugt, wie sie war, das alles nicht ertragen, wenn sie nicht dabei auch frei von |314| jeder kleinlichen Empfindlichkeit und mit Blick für Tüchtigkeit begabt gewesen wäre. Ihr Mann konnte wohl sagen: Schaff doch den groben Kerl ab. Man hat ja ewig Angst, was jetzt nun wieder rauskommt. Es laufen doch wahrhaftig genug höfliche Beamte auf der Welt herum. Nein, an der Art Höflichkeit lag ihr nun wieder gar nichts.
    Sie hatte gerade zur Frühjahrsbestellung einen Streik auf Schadeleben gehabt und gesehen, wie dieser Gäntschow damit fertig geworden war. Die andern Güter der Gegend wurden längst bestreikt. Es war eine Anweisung des Landarbeiterverbandes, gerade jetzt in der entscheidenden Zeit einen großen Lohnstreik zu machen. Jeder Acker, der nicht eiligst bestellt wurde, würde für ein Jahr aus jedem Ertrag herausfallen. Das würde eine empfindliche Lehre für die Herren Landwirte sein und sie für die Zukunft gefügiger machen.
    Weiß der Himmel, wie es kam, daß die andern Güter schon seit zwei Wochen bestreikt wurden, ehe sich die Landarbeiter von Schadeleben entschlossen, ihrem Administrator die Mitteilung zu machen, daß sie nun auch man lieber streiken wollten. Vielleicht, daß sie ähnlich wie Herr Regierungsrat von Brest einige Befürchtungen hatten, wie Herr Gäntschow auf solche Mitteilung reagieren würde. Hatten sie solche Befürchtungen, so hatten sie nicht unrecht mit ihnen. Denn Gäntschow stieß einen Schrei aus: Wollt ihr das?! Wollt ihr das wirklich?! Gott sei Lob und Dank. Kann ich endlich mal ausschlafen! Und immer lauter brüllend: Alles runter vom Hof! Alles runter vom Hof!
    Er hob den Krückstock. Die ersten prallten zurück, kamen ins Flüchten, andere wurden mitgerissen – man sah einen riesigen Mann mit erhobenem Knüppel hinter einer Schar von 150 Menschen, Mädchen, Burschen, Weibern, Männern herjagen, wobei er gelle Schreie ausstieß: Alles runter vom Hof! Hinter den letzten verschloß er die Hoftore.
    Die Leute kakelten noch zwei Stunden erregt auf dem Dorfplatz. Sie lauschten auf den Hof, achtzig Kühe brüllten nach Füttern und Melken, das Dorf hallte wider, die Leute |315| waren unruhig und mißgestimmt. Sie hatten alles ordentlich mit ihrem Beamten besprechen wollen, die Notstandsarbeiten, Vieh füttern und melken, denn auch bei einem Streik mußte Ordnung sein, deuchte sie. Das Vieh mußte seine Ordnung haben, wenn auch der Betrieb und die Felder keine Ordnung zu haben brauchten, und die kohldampfschiebenden Städter mit Weibern und Kindern schon gar nicht.
    Aber der ist ja mall. Wenn

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