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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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er seinen Wutkopp hat, läßt er die ganze Wirtschaft zugrunde gehen.
    Dem ist alles egal.
    Du hättest auch nicht so rausfahren sollen mit deinem Streik, Labuse. Das muß so einen doch wild machen.
    Ob er wirklich schläft?
    Natürlich schläft der und feste.
    Sie standen und horchten auf das Brüllen der Kühe. Die Luft schien zu zittern davon. Sie spürten richtig die tobende Unruhe, das klirrende Rasseln der Ketten.
    Es waren die Herrschaftskühe, die so brüllten. An sich brauchte das den Leuten das Herz nicht schwerzumachen, im Gegenteil, eigentlich lag es im Sinne des Streiks.
    Aber der Haken bei der Sache war nur der, daß auch die Leutekühe, das Deputantenvieh, auf dem Hof stand. In einem besondern Stall, ja soviel war richtig. Aber wenn er nun heute abend ihren Weibern den Zutritt zum Hof verwehrte?
    Dann holen wir den Gendarmen, schrie ein Hitzkopf.
    Die Leute schwiegen mißbilligend.
    Bis der kommt, haben unsere Kühe alle Euterentzündung, sagte schließlich ein Alter langsam.
    Ein paar Weiber fingen an zu plärren. Eine große, stattliche Frau schimpfte: Verfluchtes Mannsvolk, als ob der Groschen Lohn mehr uns was ausmacht. Ihr versauft ihn ja doch bloß. Aber wenn sich mein Johann nicht morgen bei Herrn Gäntschow zur Arbeit meldet, soll er wissen, was geschlagener Mors tut.
    Es wurde gelacht, aber bloß kümmerlich. Als sie sich schließlich, ohne etwas beschlossen zu haben, trennten, strichen |316| viele an dem großen, jetzt verschlossenen Hoftor vorüber. Sie spähten auf den Hof, aber nicht ein Mensch war zu sehen. Doch im großen Gutskuhstall standen alle Türen weit auf. Über den Hof drang das dröhnende Brüllen der unruhigen Tiere, daß es ein Grausen war.
    Die gnädige Frau fand das auch. Sie hatte zu Herrn Gäntschow geschickt. Aber Herr Gäntschow kam erst spät. Er sollte Bericht erstatten. Doch er sagte nur grob: Sie wissen ja so schon alles, gnädige Frau.
    Was stimmte, denn die Mädchen und die Mamsell hatten längst alles zwei-, dreimal erzählt.
    Und was soll nun werden? fragte die Gnädige, soll das so weitergehen?
    Sie deutete mit der Schulter auf den Hof. Das Gebrüll stand greifbar in der Luft. Gäntschow bewegte beruhigend die Achseln. Es wird sich einrenken, gnädige Frau, sagte er.
    Das soll wohl etwa so weitergehen?! sagte sie empört. Und das arme Vieh! Mein Mann ist schon ganz hin.
    Ich würde empfehlen, vielleicht irgendwohin für ein, zwei Tage auf Besuch zu fahren. Und auf eine ungeduldige Bewegung von ihr: Es wird nämlich noch viel, viel schlimmer. Ich habe den Kühen Salz gegeben.
    Sie sah ihn an, als sei er irrsinnig geworden. Sie tat sogar einen Schritt von ihm zurück. Salz –? flüsterte sie, und nichts zu trinken –?
    Salz! antwortete er. Und keinen Tropfen Wasser!
    Sie schlug die Hände vors Gesicht. Das arme, arme Vieh, flüsterte sie, und hastig: Aber man muß sofort –.
    Er sah sie fest an. Es ist eine Kraftprobe, gnädige Frau, sagte er. Sie wissen, wie weit wir zurück sind mit der Arbeit. Wir vertragen nicht eine Woche Streik.
    Er brach wieder ab. Sein Mund schloß sich fest. Die Kühe brüllten zum Himmel, als seien ihnen alle Kälber, die sie je geboren, auf einmal fortgenommen.
    Und Sie glauben –? flüsterte die Gnädige.
    Ich hoffe, sagte er. Und rasch: Die Leute sind dumm und |317| verhetzt. Mit Vernunft ist nichts auszurichten. Die Dummen muß man immer beim Gefühl kriegen, gnädige Frau.
    Er brach wieder ab.
    Ihre arme Frau, sagte Frau von Brest.
    Ich heirate erst zu Ostern, meinte er kühl.
    Eben. Ich kann das Mädchen nicht verstehen, sagte sie.
    Er: Soll ich anspannen lassen, gnädige Frau? Ihr Kutscher streikt nicht.
    Bitte, bitte, sagte sie hastig. Ja, wir wollen lieber weg. Sie rufen mich dann an, wenn …
    Bitte schön, sagte er und ging.
    Er blieb allein auf dem großen Hof. Er hatte allen Leuten vom Herrschaftspersonal streng verboten, die Hofstatt zu betreten. Es kam auch niemand in die Versuchung. Um Mittag wurde es auch noch im Schweine- und Pferdestall unruhig. Dafür wurde es allerdings im Kuhstall stiller. Das Gebrüll hatte sich in ein heiseres Stöhnen verwandelt, das noch viel schauerlicher klang.
    Gäntschow hatte seinen Beobachtungsposten hinter einem Fenster der Meierei, wo er nicht gesehen werden konnte, aber den ganzen Hofplatz übersah. Er sah immer wieder Vereinzelte, auch kleine Gruppen, am Hoftor stehen und starren. Hier stand er, er war unendlich einsam, es war wie im Felde, wenn man allein auf sich stand und

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