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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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in seine Brust. Aber er verrät sich nicht. Als ein Knecht, der pfeifend aus |320| dem Pferdestall kommt, vor der großen, dunklen Gestalt zusammenschrickt und sich still fortschleichen will, ruft er ihn an: Schick den Großspänner her, Karl.
    Jawohl, Herr Administrator, sagt Karl, und der Großspänner kommt.
    Wisselmann, sagt Gäntschow, die Kühe kriegen heute eine Extratracht vom Pferdeheu, von dem Luzerneheu, verstehen Sie?
    Jawohl, Herr Administrator.
    Halt! Und dann schicken Sie mir noch den Labuse her.
    Labuse ist der Obmann vom Landarbeiterverband. Er kommt langsam und zögernd.
    ’n Abend, Labuse, sagt Gäntschow.
    ’n Abend, sagt Labuse und steht im Dunkeln.
    Habt ihr die Kühe brüllen hören, Labuse? fragt Gäntschow nach einer langen Weile.
    Jau, jau, Herr Gäntschow, sagt Labuse tief atmend. Ich wohne ja dicht am Hof, es war eine grausame Sache.
    Ich habe noch etwas anderes brüllen hören, Labuse, sagt der Administrator im Dunkeln plötzlich sanft. Was ihr nicht gehört habt. Ich habe die Kinder in der Stadt nach Brot und Milch brüllen hören. – Labuse, sagt er sanft, die Stadtkinder haben seit drei Jahren gehungert.
    Jau, jau, sagt Labuse, und es ist wieder still. Es ist sehr lange still zwischen den beiden.
    Haben Sie den Kühen Salz gegeben, Herr Inspektor? fragt dann Labuse bedächtig. Es sah so aus in den Trögen.
    Ja, Salz.
    Es ist wieder lange still. Dann macht Gäntschow eine Bewegung des Gehens.
    Ich habe mir das überlegt, Herre, sagt Labuse langsam, es mag kommen mit dem Verband, wie es will: wir streiken nicht mehr.
    Schön, schön, sagt Gäntschow leichthin, guten Abend, Labuse.
    Guten Abend, Herr Administrator, sagt Labuse und geht |321| zögernd gegen das Dorf, wo im Gasthof der Verbandssekretär auf ihn wartet.
    In dem Brief, den Gäntschow an diesem Abend noch seiner Braut schreibt, steht seltsamerweise nichts darin von allen diesen Dingen. Es wird darin von Eichenmöbeln gesprochen, die er so und so gebeizt haben will. Und außerdem: kein Krimskrams, nichts von Verzierungen und Schnitzereien, die Hauptsache: fest. Der Brief schließt mit den Worten: Noch einmal rate ich Dir, gründlich zu überlegen, was Du tun willst. Eine Ehe mit mir kann nichts Angenehmes sein. Ich bin kein Mann, den ein Mädchen wie Du heiraten kann, ohne die unangenehmsten Erfahrungen zu machen. Alles spricht dagegen. Ich könnte Dir all Deine Enttäuschungen voraussagen. Es ist gar nicht abzusehen, was alles Schlechtes daraus werden kann; es ist überhaupt nicht einzusehen, wieso Gutes aus einer Ehe zwischen uns kommen kann.
    Während er dies, nur halb bei der Sache und sehr müde, schreibt, denkt er nicht etwa an den Ausruf »arme Frau«, den Frau von Brest am Morgen getan hat. Er stellt sich auch kaum das Mädchen deutlich vor, dem er dies schreibt. Er faßt nur noch einmal zusammen, was er ihr viele Male gesagt und geschrieben hat, aus einem Gefühl der Verantwortung heraus, und doch auch mit einem deutlichen Gefühl für das Unabänderliche, das in ihrer Liebe zu ihm liegt.
    Sie hat die ganze, grenzenlose Liebe der Schwachen, die ein Idol gefunden haben, einen Helden, den sie blindlings anbeten und verehren können. Alles ist gut, was er tut, ja selbst wenn er ihr weh tut, ist das noch tausendmal besser, als wenn er nichts von ihr wissen möchte. Er kann sagen und schreiben, was er will. Sie glaubt doch nichts von alldem. Ihrer Liebe ist etwas von überlegener Spitzbüberei beigemengt: Was Du Dir nur alles einbildest. Du weißt gar nichts von uns Frauen. Laß uns nur erst einmal zusammen sein, und Du wirst sehen –!
    Was
sie
sehen wird, weiß er ziemlich genau. Aber vielleicht ist es eben doch so, daß auch das Enttäuschendste, was sie mit |322| ihm erleben wird, ihr lieber sein wird als ein Leben ohne ihn. Sie antwortet ihm auch auf diesen Brief, daß die Möbel ganz, wie er es wünscht, gemacht werden sollen. Und sie fährt fort: Da Du selbst so oft gesagt hast, daß Du nicht weißt, was alles aus Dir noch werden kann, so gibt es ja auch immerhin die Möglichkeit, daß Du ein recht guter Ehemann wirst. Vor allem wirst Du der herrlichste Vater von der Welt werden …
    Er lächelt, wie er dies liest. Siehe da, manchmal blitzt ein Funke in ihr auf. Ihre Liebe macht sie scharfsichtig, sie besitzt nicht Verstand – den besitzen Frauen nie, davon ist er fest überzeugt –, aber sie besitzt eine gewisse besondere Art Frauenlist, die sie auf tausend vertrackten, unübersichtlichen Umwegen manchmal doch

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