Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
Vom Netzwerk:
zu richtigen Ergebnissen führt.
    Nun also, laß es laufen. Es wäre schon immerhin ganz schön, wenn man ein paar Kinder hätte und eine fröhliche Frau dazu. Dies einsame Herumsitzen in ungemütlichen Junggesellenbuden taugt auch zu nichts, macht unnötig scharf und reizbar. Wenn sie es also denn durchaus will …
    Johannes Gäntschow hatte Elise Schütt schon im Jahre 1913 als Eleve in Klein-Kirschbaum kennengelernt. Der Herbst 1913 brachte endlose, trübe, graue Regentage. Ununterbrochen pladderte es wochenlang vom Himmel. Die dichtesten Dächer wurden undicht. Aus dem Schulhaus im Dorf kam ein Bote nach dem andern zu Ökonomierat Behr. Das Schuldach müsse gemacht werden, es regne durch. Es gieße wie mit Kannen. Die Kinder kämen nicht aus dem nassen Zeug. Die Schule schwimme fort. Man könne die Töpfe leer auf das Feuer setzen, in fünf Minuten seien sie voll und das Feuer aus. Die Lehrerin kämpfe mit all ihren Schülern den Tod des Ertrinkens. Endlich – wenn das Dach jetzt nicht gemacht würde, würde auf dem letzten Bogen trockenen Papiers ein Bericht an den Schulrat geschrieben und alle Kinder nach Haus geschickt.
    Soviel war richtig: Die Domäne hatte die Schule in Ordnung zu halten. Und so sagte denn schließlich Ökonomierat Behr, ein alter, filziger Rauschebart mit Gicht, zu Gäntschow: |323| Also sehen Sie sich mal an, wie das da aussieht. Übrigens ist die Lehrerin verdammt hübsch. Untersuchen Sie nicht zu gründlich auf Nässe.
    Und er lachte sein dröhnendes, schmieriges Lachen, daß Gäntschow wieder mal in der Versuchung war, gegen seinen Lehrherrn und Brotgeber tätlich zu werden.
    Er wurde es aber wieder einmal nicht – zu seinem Ärger – , aber er war darum vielleicht um so kühler zur Lehrerin.
    Das ist alles nicht so schlimm, sagte er und sah sich ungerührt den Aufmarsch von Töpfen, Eimern, Schüsseln an, in die es regelmäßig tropfte, sprühte, strullte.
    Das ist nicht schlimm? rief das kleine Fräulein empört aus, und worin soll ich mich waschen, worin soll ich kochen? Mit was soll ich aufwischen –? Alles besetzt. Da, sehen Sie das!
    Und sie stieß die Tür zu ihrem Zimmer auf. Über dem Kopfende des Betts hing von der Decke herunter ein Schirm, über das Fußende lag eine weiße und blaue Wachstuchdecke: Und die habe ich mir auch nur ausgeliehen! Im Schrank wachsen Pilze und Schimmel! Bezahlen Sie das?! rief sie flammend.
    Ich kaufe weder Pilze noch Schimmel, sagte er und sah sie wohlwollend an.
    Dann brachen beide in Gelächter aus.
    Also, ich schicke, sobald es geht, den Dachdecker. Jetzt bei dem nassen Wetter ist doch nichts zu machen.
    Ach nein, sagte sie gedehnt und sah ihn spöttisch an, und wann wird das?
    Sobald trockenes Wetter ist, sagte er hartnäckig.
    Ja, wann meine ich?
    Nach den Wetterberichten müßte es längst trocken sein.
    Ja, das ist schwierig, sagte sie plötzlich sehr eifrig. Ich versuche ja, den Jungen auch etwas von der Meteorologie beizubringen. Sie sollen doch einmal Landwirte werden – und für den Landwirt ist das Wetter doch sehr wichtig, nicht wahr?
    |324| Stimmt, sagt er und betrachtete sie lächelnd.
    Und warum ist es eigentlich nie richtig mit den Wetterberichten? Da soll man den Aberglauben ausrotten, die Jungen haben es von ihren Eltern her alle mit dem Mond, abnehmender Mond, zunehmender Mond. Aber in meinem Buch steht, das mit dem Mond ist ganz unwissenschaftlich. Reiner Aberglaube. Und doch stimmt es mit dem Mond – oft.
    Ja, ja, sagte er nachdenklich. Er war zwanzig Jahre alt und konnte etwas Schönem gegenüber noch nachdenklich werden. Sie war einen ganzen Kopf kleiner als er, aber schlank, zierlich, behende. Ihr Gesicht mit der schmalrückigen Nase und den großen, braunen, leuchtenden Augen hatte die schönsten, zartesten Farben, die er je bei einem Mädchen gesehen hatte. Unter seinem prüfenden Blick, der sie so unpersönlich ansah, als sei sie ein Bild, wurde sie langsam rot. Diese Röte kam unter ihrer zarten Haut wie eine leichte Wolke, breitete sich aus und schwand sachte wieder. Es ist meine erste Stelle als Lehrerin, sagte sie entschuldigend, als wollte sie ihre Klage über die Wetterkunde begründen.
    Es ist meine erste Stellung als Landwirt, sagte er und lachte.
    Ist Ihnen manchmal auch so schrecklich einsam? fragte sie. Ich könnte manchmal heulen vor Einsamkeit und Heimweh.
    Heimweh? fragte er, nein, keine Spur.
    Sicher sind Sie schon öfter von Haus fort gewesen.
    Jaja, antwortete er, und plötzlich: Hatten Sie es gut

Weitere Kostenlose Bücher