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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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ihn herumsitzen, seine Mienen, seine Laune belauern und dann plötzlich losplaudern, als sei |348| nichts? Es war zum Kotzen eingerichtet auf dieser Welt. Er war geradezu prädestiniert, ohne Frauen zu leben. Und nun saß da eine zu Haus und wartete auf ihn. Schon, daß sie bloß wartete!
    Er sah um sich. Er merkte, daß er in der Nähe der Kartoffelmieten war, die am Waldrand lagen. Es würde gut sein, dort einmal um diese späte Abendstunde zum Rechten zu sehen. Es war in letzter Zeit viel geklaut worden. Er ritt leise, Schritt um Schritt, auf dem weichen Waldboden bis an den Rand und spähte hinaus.
    Nein, heute nichts, sagte eine versoffene, kratzige Stimme neben ihm – es war der Waldwärter von Schadeleben, ein übles Subjekt.
    ’n Abend, Heidefraß, sagte Gäntschow. Auch auf dem Posten?
    Ich dächte, Sie hätten heute geheiratet, sagte der Waldwärter Heidefraß. Aber Sie sind ihr wohl vorher ausgebimst? Gäntschow sah prüfend in das gedunsene, rote Gesicht mit dem unförmigen Riechkolben und sagte mit Betonung: Ich
habe
geheiratet, Heidefraß.
    Schön, schön, Herr Administrator, sagte der Waldwärter gleichmütig und richtete den Flintenriemen auf der Schulter, heute kommt hier keiner mehr.
    Gäntschows schlechte Laune brach los. Warum stehen Sie also noch hier, Mann? schrie er, scheren Sie sich nach Haus.
    Ich habe Sie mir nur betrachtet, sagte Heidefraß ungerührt, denn heute abend jedenfalls sind Sie doch ausgebimst.
    Er ging langsam los, ohne sich umzusehen. Der stichelhaarige Jagdhund trottete, mit der Nase tief an seinem linken Fuß, hinterher.
    Gäntschow wäre ihm am liebsten nachgaloppiert und hätte ihn über den Haufen geritten. So sehr erbitterte es ihn, daß dieser Saufbruder seine Gefühle erraten hatte. Aber er ritt langsam querfeldein nach dem Hof. Am See hielt er noch lange und sah über die graue Wasserfläche, über der Nebel zogen.
    |349| Er wäre gern mit sich allein gewesen in dieser Nacht, und in vielen Nächten noch. Aber in seinem Schlafzimmer lag eine Frau. Seine Frau. Sie hatte ein Recht, dazuliegen.
    Als er eintrat, steckte sie hastig Briefe fort, die er kannte: er verstand alles auf einen Schlag. Sie rechnete ihm jetzt jedes Wort nach, das er ihr einmal geschrieben hatte. Er wäre gern ausgebrochen, aber er bezwang sich.
    Als er seinen Reitanzug in den Kleiderschrank hängen wollte, sah er, daß kein einziger Bügel mehr frei war. Überall hingen Frauenkleider. Er sagte erbittert: Daß wir verheiratet sind, berechtigt dich noch lange nicht, deine Kleider in meinen Schrank zu hängen. Das sind zwei Sachen, die nichts miteinander zu tun haben.
    Er umfaßte mit beiden Armen ihr ganzes Kleiderbündel, riß, zog, zerrte, Aufhänger platzten, Bändchen rissen – und er warf das ganze Bündel über die Chaiselongue: Da!
    Sie war entsetzt aus dem Bett gesprungen. Sie starrte ihn fassungslos, ungläubig an: Hans! Hans!
    Ich sehe, du willst weinen, sagte er kalt. Da ich schlafen möchte und morgen früh raus muß, weinst du besser drüben in der Stube.
    Sie schlich langsam, in ihrem schönen rosa Brauthemd mit der Stickereispitze, Schritt um Schritt hinaus. Er verfolgte aufmerksam ihren Weg, den sie halbnackt ging, dann legte er sich ins Bett und schlief ein.
    Es gehört zu den unfaßbarsten Dingen auf diesem unfaßbaren Stern, was Menschen einander zumuten können, und es geht weiter. Es geht sogar gut weiter. Gegen Morgen kam sie wieder herein, sie hatte die ganze Nacht im Wohnzimmer auf einem Korbsessel gesessen, sie war fast taub gefroren, denn sie hatte nicht gewagt, sich eine Decke zu holen, ihre Augen glänzten von ungeweinten Tränen, denn sie hatte nicht gewagt zu weinen, aus Furcht, ihr Schluchzen könnte ihn stören. Das Licht brannte noch, sie beugte sich über ihn, sie sah aufmerksam in dies entspannte, schlafende Gesicht. Ihr kleines, armes Hirn mühte sich zu verstehen, ihr Eigenwille |350| lehnte sich noch einmal auf, aber das schwere, süße Herz sagte immerfort dasselbe: Aber ich liebe ihn doch! Wenn ich nur bei ihm sein kann! Was spielen die paar Kleider für eine Rolle – übrigens hat Frau von Brest schuld, ich hätte ihn erst fragen müssen.
    Unter ihrem Blick hatte er langsam die Augen geöffnet, er sah sie voll, aus dem Traum kommend, an. Na, mein Lütten? fragte er.
    Plötzlich veränderte sich sein Gesicht erschreckend. Sie begriff, er dachte an den gestrigen Abend. Nun schämte er sich, und darum wollte er wieder wütend werden …
    Sie sagte rasch: Na,

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