Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
Vom Netzwerk:
der Verwandtschaft vergeblich getrommelt wurde. Umkleiden und Abfahrt zur Bahn.
    Erst im Abteil wurde er gelinder. Sie fuhren direkt nach Schadeleben. Keine Hochzeitsreise, nichts. Es war die Zeit der Frühjahrsbestellung, er war nicht zu entbehren.
    In Piepenburg war kein Wagen an der Bahn. Sie wurden so früh nicht erwartet, er mußte telefonieren. Fröstlich saß Elise mit dem Gepäck vier Stunden in der zugigen Wartehalle, es regnete draußen. Er war mit einem Bauern fortgegangen, um sich dessen Wirtschaft anzusehen.
    Als er zurückkam, weinte sie. Sie wollte zurück in ihr kleines Schulhaus. Plötzlich war ihr, als fahre sie mit einem finsteren |346| Gefangenenwärter in die Verbannung. Selbst die Ortsnamen Klein-Kirschbaum und Schadeleben schienen ihr symbolische Bedeutung zu haben.
    Er saß dann drei Stunden neben ihr im Wagen ohne ein Wort. Sie hatte all ihren Mut zusammengesucht und erzählte ihm etwas. Ganz trübselig sollte doch ihr Hochzeitstag nicht sein. Aber er antwortete auf alles nur mit einem unwilligen Grunzen.
    Angekommen in dem kleinen Beamtenhaus, auf einem Hügel über dem Rittergut zwischen Birken, bekam er einen neuen Wutanfall: in seiner Abwesenheit war sein Zimmer mit einer Tapete beklebt worden, die ihm nicht gefiel. Er setzte sich hin und schrieb einen Brief an Frau von Brest: Die Tatsache, daß es noch immer in Deutschland Rosengirlandentapeten gäbe, berechtige Frau von Brest nicht, sie ausgerechnet in sein Zimmer zu kleben. Er verbitte sich solchen sentimentalen Unfug. Er stelle ihr die Tapete für ihr Schlafzimmer zur Verfügung und werde auf ihre Kosten sein Zimmer anders tapezieren lassen.
    Kröten, Schlangen und Nattern, murmelte er, unterschrieb, ließ satteln und ritt ab, ohne ein Wort an seine Frau. Frau von Brest kam eine halbe Stunde später. Sie traf die Flitterwöchnerin inmitten unausgepackter Koffer, eine braune Truhe auf dem Schoß, »seine Briefe« aus verflossenen sechs Jahren lesend, verflossenes Glück in ihrem Herzen erneuernd. Die beiden Frauen weinten ein bißchen zusammen. Ja, meine liebe junge Frau, sagte Frau von Brest, so habe ich mir Ihren Eheanfang ungefähr gedacht. Ich rede gar nicht erst von dem unverschämten Brief, den er mir geschrieben hat. Er wird Ihnen noch ganz andere Dinge antun. Er ist genau das, was man einen Wüterich nennt, und er wird sein Lebtag ein Wüterich bleiben. Nicht, daß er ganz ohne Gefühl wäre – aber es macht ihm direkt ein Vergnügen, gegen alle Welt, sich eingeschlossen, zu wüten. Sie müssen eben sehen, wie Sie sich damit abfinden … Sie sah die junge Frau prüfend an. Die junge Frau sah die gnädige Frau prüfend an. Ihr kam |347| diese interessierte Charaktererläuterung ihres Gatten übertrieben vor.
    Mein Mann und ich verstehen uns ausgezeichnet, sagte sie etwas abgekühlt.
    Genau, was ich meinte, bestätigte Frau von Brest, Sie werden ihn schon zurecht kriegen. Darf ich Ihnen ein bißchen beim Einrichten helfen?
    Sie packten beide gemeinsam aus. Sie waren beide gemeinsam der Ansicht, daß der alte Kleiderschrank für seine Sachen viel zu groß sei: sie hängten ihre Kleider daneben. Es sah direkt hübsch aus, neben den dunklen Anzügen die hellen Kleider. Später verabschiedete sich Frau von Brest, der Ton zwischen beiden war wärmer geworden. Kleider, wenn nicht gerade übermäßig viel und niederschmetternd schöne vorhanden sind, haben zwischen Frauen immer etwas Versöhnendes.
    Später aß die junge Frau allein ein wenig trübsinnig zu Abend. Ein kleines Dienstmädchen mit frostroter, tropfender Nase, das zu schüchtern war, mit Ja oder Nein zu antworten, hatte es ihr zurechtgemacht. Es war nichts mehr zu tun. Der Abend war kühl und frostig. Sie ging ins Bett, die braune Lade neben sich, knipste die Nachttischlampe an und las Liebesbriefe, Brautbriefe.
    Er war erst auf die Felder, dann in die Forst geritten. Mechanisch hatte er dies und das auf den Äckern gesehen: Daß auf Binnenschlag fünf unmöglich Luzerne gebracht werden konnte, weil er viel zu verqueckt war, und daß es auf Außenschlag zwei jetzt endlich trocken genug zum Pflügen war.
    Er ritt weiter durch den Wald, er ließ das Pferd gehen, wie es wollte. Er war wütend auf sich, weil er von der Hochzeit ausgerissen war, weil er den ganzen Tag zornig und gereizt gewesen war und hundert Narrenstreiche gemacht hatte. Aber er war auch wütend auf sie, weil sie ihn zu dieser Hochzeit gebracht hatte. Was brauchte er Frauen? Sollte sie den ganzen Tag etwa um

Weitere Kostenlose Bücher