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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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seine Briefe trösten sie. Und eigentlich hat er ja auch recht.
    Dann verschwindet Stachu. Und nun ist die Ehe gewissermaßen stabilisiert. Die Flitterwochen sind vorüber. Sie ist das geworden, was er braucht. Sie fügt sich jeder Stimmung, sie horcht auf jedes Wort, sie ist nichts wie sein Geschöpf. Ist sie glücklich? Ja, es ist seltsam zu sagen, sie ist trotzdem glücklich. Sie war nie sehr viel. Von einer tyrannischen Mutter unterdrückt, von einer eingebildeten Schwester verhöhnt, das kleine Dummchen, ein Garnichts. Aber sie ist eben nur »trotzdem« glücklich.
    Irgendwie empfindet sie doch die Schmach, die ihr angetan ist, die Mißachtung, die sie spüren mußte, aber es brennt eine Flamme in ihr, die jetzt noch alles vertilgt, eine reine, zärtliche Flamme. Sie ist so bezaubernd jung. Ihre Stimme ist |353| hell, ihre Augen glänzen. Ein junges Küken kann sie lachen und weinen machen vor Rührung. Ihr Gang ist so rasch … Sie liebt die Blumen, den Mond, einige schwermütige Gedichte, die sich hinten reimen, nicht die grelle Sonne, aber den abendlichen See, den Leierkasten am Mittwoch vormittag im Dorf, alle verwundeten Tiere, Kinder, die häßlichen wie die hübschen, sich selbst fast gar nicht, die andern Menschen kaum, aber ihren Mann grenzenlos.
    Sie richtet sich in ihrem kleinen, engen Leben ein. Sie freut sich, daß sie buttern lernt, und daß ihre Weckgläser nach dem Sterilisieren nicht wieder aufgehen, und namentlich, wenn ihr Mann sie jeden zweiten oder dritten Tag zu einem Spaziergang mitnimmt.
    Er lebt unterdessen sein einsames Leben weiter. Oft merkt er durch Tage kaum, daß er eine Frau hat. Sie ist eben da im Haus, wie das Mädchen da ist oder ein Schrank. Er hat hundertzwanzig Leute unter sich, und es sind unruhige Zeiten. Es kommt zwar zu keinem Streik mehr, aber die Leute sind widerwillig oder gedrückt. Immer ist fremdes Volk im Dorf, Verwandtschaft und Freundschaft aus der Stadt, die sich durchfüttern läßt und zum Dank dafür ihren Spruch leiert: Der Pommer ist im Winter so dumm wie im Sommer. Wie rückständig sie seien, daß sie sich »das« gefallen ließen, und »man« würde nicht so dumm sein und es »denen« einmal zeigen.
    Unsinniges Geschwätz, aber es tat seine Wirkung. Stand Gäntschow neben einer Arbeit, so ging alles seinen Gang. Aber kaum war er fort, so hielten alle Gespanne, alle Knechte hielten an und stellten die Pflüge flacher: Es ist ja nur eine unsinnige Schinderei, und dem Boden ist es egal, wie tief er gepflügt wird.
    Dem Boden war es nicht egal, das zeigte er bei der Ernte. Hatten sie Kunstdünger zu streuen, so murrten sie unter sich, er solle was Klügeres tun und das schöne Geld nicht für solchen neumodischen Dreck rausschmeißen. Und sie streuten den Dünger so, daß der Acker an der einen Stelle verbrannte, |354| an der andern verhungerte. Sie spielten ihm tausend Narrenstreiche, aus Dummheit, aus Unwillen, aus Bosheit. In der wichtigsten Pflugzeit verschwanden alle Pflugschlösser – kein Pflug war mehr zu brauchen. Es konnte nicht mehr gepflügt werden. Die kostbaren Tage verrannen und der Frost drohte. Gäntschow schlug eine Belohnung an für die Rückgabe der Schlösser. Dann schickte er einen Boten nach Stettin, um neue zu kaufen. Es gab in Stettin nicht genug. Der Bote mußte bis in die Fabrik nach Leipzig fahren. Am Morgen seiner Rückkunft, am Morgen ehe die neuen Pflugschlösser eintrafen, lagen die gestohlenen sauber auf einen Draht gezogen vor dem Administratorenhaus.
    Das war ein Schurkenstreich – die Streiche aus Dummheit waren fast noch schlimmer. Jeder Pferdeknecht wollte das fetteste, glänzendste Gespann Pferde haben. Sie drückten sich vor aller schweren Zugarbeit, um ihre Gäule zu schonen. Sie stahlen von der Dreschmaschine frisch gedroschenen und noch etwas feuchten Hafer und fütterten ihn den Tieren in solchen Mengen, daß fünf Pferde an Kolik verreckten. Gäntschow stand mit dem Tierarzt vierzehn Stunden im Stall und sah die schönen Tiere sich Stunde um Stunde in einen schrecklichen Tod quälen. Ihre sanften Augen sahen ihn stumm und vorwurfsvoll an.
    Nachher kriegte er sich die Leute vor, ob sie wenigstens einsähen, was für eine Dummheit sie gemacht hätten, ob sie es nicht wieder tun wollten.
    Aber das ist doch nicht von dem bißchen Hafer, Herr Administrator! Ein bißchen viel fressen schadet keinem. Uns tut es auch gut. Das ist, weil wir unsere Tiere immer so abjagen müssen!
    Unbelehrbar, nichts zu machen. Dieser

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