Wir hatten mal ein Kind
waren eingeborene Fiddichower Mädchen, und Frau Schrimm wußte einfach alles von der Halbinsel. Wenn aber Frau Gäntschow auch eine Lehrer’sche gewesen war, so besaß sie doch in hohem Maße die Gabe, mit einfachen Leuten reden zu können. Und so kam es, daß Frau Gäntschow, fast ohne zu fragen, bald alles über die ehemalige Freiin Fidde wußte, über die gemeinsame Kindheit mit dem Hans, alles, was die Leute über die Geschichte mit dem Bullenberger erzählten. Und das war mehr, als Johannes davon wußte. Und auch über die jetzigen Lebensumstände der verheirateten einfach bürgerlichen Frau Wendland wußte sie so allerlei.
Darin war sie ja nun weit im Vorteil vor ihrem Mann, der gar nichts wußte und erfuhr. Der mochte niemanden fragen, denn er hatte von den betroffenen und verdutzten Gesichtern im Schwedischen Hof nach seiner Frage um die Freiin Fidde vollkommen genug. Zwar hatte er sich an einem schönen dichten Nebeltage ausgangs November einmal auf die Beine gemacht und war wieder einmal die altvertrauten Feldraine seiner Kindheit entlanggelaufen (und das kleine schwarze Sparkassenbuch hatte er dabei in der Tasche) und war bis nach Schloß Fidde gekommen. Dieses Mal war da nun freilich das große Gittertor am Park geschlossen gewesen. Aber das hatte er gesehen, daß das Gitter frisch gestrichen worden war und die Gitterknäufe neu vergoldet. Und der Weg war neu bekiest – und er hatte an jenen Tag gedacht, an dem er damals als zwanzigjähriger Junge hier gestanden und Eichen ausgepflückt hatte. Das Schloß bekam er diesmal nicht zu sehen. Dazu war der Nebel zu dicht. Und so wußte er nicht einmal, ob sie jetzt auf der Insel war. Und das kleine schwarze Sparkassenbuch trug er unbenutzt wieder nach Haus.
Freilich, seine Frau hätte ihm gut Auskunft geben und erzählen können, daß Christiane durch eine kluge Heirat mit einem reichen Hamburger Kaufmanns- und Senatorensohn den alten Glanz des Hauses Fidde erneuert hatte. Daß daher die vergoldeten Knäufe und der neue Kies kamen, und daß nun nicht mehr – der alte, ewige Kummer des Grafen Fidde – |413| Handwerker auf die Bezahlung ihrer Rechnungen lauern mußten. Und daß nun nicht mehr unsichtbar über Dachgebälk und Dach die Last erdrückender Hypotheken ruhte. Sie hätte ihm erzählen können, daß Herr Wendland nach dem Urteil der Gegend ein sehr feiner Mann war, aber vielleicht eine Spur düsig. Daß noch immer keine Kinder im großen, altersgrauen Schloß schrien und lachten, und daß darum das Innenministerium noch immer das Gesuch abgelehnt hatte, die Namen Wendland und Fidde zu vereinen, damit der Ruhm dieses alten Namens nicht völlig aussterbe.
Ja, das alles und noch viel mehr hätte ihm seine Frau erzählen können, und wenn sich Johannes Gäntschow beispielsweise nur die uralte Moral der Reeseschen Geschichte, daß der Mensch nicht gut allein sei, ein wenig zu Herzen genommen hätte, so hätte er vielleicht mit seiner Frau über alle diese Dinge gesprochen, und ihr etwas spät, aber nicht zu spät, den Bericht von der Jugendfreundin Christiane gemacht, diesem hellen, weißen Strahlenstern, den er längst in alle Himmel entrückt glaubte und der nun in einer ganz richtigen Ehe auf Erden schaltete und waltete. Aber ein so kluger Mensch Johannes Gäntschow zu sein glaubte, hierin war er gar nicht klug, sondern schwieg weiter, trotzdem ihm ja eigentlich auch das Beispiel der eigenen Mutter deutlich hätte vor Augen stehen sollen, wohin man mit der Gäntschowschen, mit der Bauernart, seine Ehefrauen zu behandeln, kam.
Gewiß, gewiß. Vieles wurde mit den Eheleuten in diesen ersten Monaten gemeinsamen Wirkens und Aufbauens auf Warder besser. Gar kein Vergleich mit dem Zustand auf Schadeleben, das Sofa im Herrenzimmer wurde ihm nun nie mehr aufgebettet. Und die junge Frau war so lebhaft und so aktiv und ging so mit ganzer Seele auf seine Pläne ein – tausendmal besser! Er konnte in seinem Arbeitszimmer sitzen und hörte sie in der Küche singen. Sie lief mit ihren zeitgemäß immer kürzer werdenden Röcken über den Hof und war die Herrin eines stolzen, schönen Geflügelstalls, den sie glänzend versorgte. Sie holte sich Rat bei ihm wegen der |414| richtigen rationellen Bestellung des alten Bauerngartens – aber wenn er dann ihr gegenüber bedeutete, daß er in diesem Jahr den Pferdestall noch nicht umbauen könnte, wie er so gerne gewollt hätte, und sie ganz erstaunt fragte: Aber warum denn nicht? Aber wieso denn nicht, wenn du es
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