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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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ihren wilden Wolfsköpfen und ihren listig und mutig funkelnden Augen. Sie haben die traditionellen Namen Pux und Sussi bekommen, und sie sind es, die mit einem wilden Geheul die beiden Besucher begrüßen, die da langsam Schritt für Schritt auf den Hof marschiert kommen, in würdigem Schwarz, mit einer schwarzen Binde: der alte Superintendent Marder, gestützt und geführt von seinem Vikar Oldörp.
    Ich höre, sagt der alte Herr, daß mein Schüler wieder im Lande ist. Aber ich will’s nicht glauben. Denn mein Schüler käme doch einmal zu mir. Ich glaube es nicht, ich bin wie der Thomas. Ich sehe es, aber ich glaube es nicht.
    Er hüstelt und sieht seinen ehemaligen Schüler freundlich und doch noch mit einer Spur der alten Listigkeit an.
    Und das ist also deine liebe Frau, mein Johannes? Guten Tag. Guten Eingang auf der Insel, junge Frau. Wir haben schon viel von Ihnen gehört – und nur Gutes! Nur Gutes! – Das ist mein Vikar Friede Oldörp, Johannes. Er leistet mir ein bißchen Gesellschaft, er predigt auch für mich – und wartet so ein ganz klein bißchen darauf, daß ich sterbe …
    Er lacht wieder.
    Friedlich ist es hier, Sonne, ja, so lieben wir Menschen es, da gedeihen wir. Auch bei mir ist es friedlich – mein liebes Weib starb vor zwei Jahren, Gott habe sie selig, ja.
    |417| Diesmal aber lächelt er nicht, sondern hüstelt nur kurz und scharf. Dann sagt er wieder milde: Und hier, wie geht es nun hier? Der Hof kommt in Ordnung, ja. Ich habe das gehört von deiner Mutter, Johannes. Beklagenswert, sie war eine so fleißige Kirchengängerin. Nun, wenn ihr erst ganz in Ordnung seid, sehe ich euch hoffentlich auch bald unter der Kanzel sitzen. Amtsbruder Oldörp predigt sehr schön. Nichts aus den Büchern, alles aus dem Kopf. Ich höre ihm gerne zu.
    Der alte Mann nickt. Vier Jahre hat ihn Johannes nicht mehr gesehen. Aber es ist, als seien es mindestens vierzig, so alt ist er geworden.
    Ja, deine kleine Freundin, die Christiane, Johannes, ja, ja … Er nickt und lächelt. Johannes strafft sich etwas. Ihm ist es, als fühlte er den Blick seiner Frau auf der Wange. Er sieht ihn nicht, aber er fühlt ihn.
    Nun, was ist es mit Christiane? fragt Johannes. Sehen Sie, Herr Superintendent, sie habe ich auch noch nicht wiedergesehen. Nicht nur zu Ihnen bin ich noch nicht gekommen.
    Ich weiß, ich weiß, nickt der alte Herr, und auch sie weiß. Wir wissen hier immer alles auf der Insel, darum sind wir stets so überrascht, wenn etwas passiert. Du erinnerst dich, Johannes, dein Bruder Max …
    Er nickt wieder. Der Vikar sagt zu ihm: Sie wollten von Frau Wendland sprechen, Herr Superintendent.
    Richtig, ja, Frau Wendland. Unsere liebe Christiane. Jetzt hat sie einen Mann. Einen tüchtigen Mann. Ich glaube wenigstens, daß er tüchtig ist … Sie sagt: warum kommt Hannes nicht zu mir? Sind wir denn böse miteinander?
    Nein, nein, sagt der Vikar eilig, Herr Superintendent, das verwechseln Sie. Das haben Sie gefragt.
    Der alte Marder überlegte. Dann sagt er störrisch: Nein, sie hat mich das gefragt. Ich weiß es genau. Wir haben noch lange geredet. Ich vergesse jetzt so leicht. Aber sie hat es gefragt – reden Sie nicht, Oldörp – und es ist eine Spur von dem alten Ton in seiner Stimme – ich weiß, was ich weiß. Sie hat gesagt: |418| Onkel – sie sagt jetzt manchmal Onkel zu mir – Onkel, geh einmal hin zu ihm und frage, was der Hannes hat. Ich weiß es ganz genau – lächelt er wieder –, darum bin ich ja hier.
    Nein, Herr Superintendent, sagt der Vikar hastig, wir sind darum hier, um Herrn Gäntschow daran zu erinnern, daß er jeden dritten Sonntag den Geistlichen über Land fahren muß. Eine alte Gerechtsame, Sie erinnern sich sicher von Ihrem Vater her, Herr Gäntschow.
    Jawohl, sagt Gäntschow und sieht den jungen Mann scharf an, dessen weiße Haut sich unter dem Blick rötet, ich erinnere mich sehr gut. Eine alte Gerechtsame, Kirchenfron, sagen wir. Denn ich bin nur ein Bauer. Ich fahre jeden dritten Sonntag den Herrn Geistlichen nach Suhle oder Dreege, und wenn mein Knecht keine Zeit hat, dann steige ich selbst auf den Bock und spiele den Kutscher. Ich bin ein Bauer, ich bin kein Graf.
    Das tust du, lächelt der alte Mann, du bist es imstande, Johannes, und setzt dich selbst auf den Bock. Immer alles ganz, so warst du, Johannes.
    Ich versichere Ihnen, sagt der Vikar, als hätte der alte Mann nie gesprochen, es liegt eine Verwechslung vor. Der Herr, von dem wir sprechen, wirft leicht alles

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