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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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doch gerne willst –?
    Und wenn er dann lachend sagte: Das Geld ist alle, und sie nach einer kleinen Pause harmlos, zu harmlos sagte: Aber wir haben ja dein Sparkassenbuch noch –
    Und wenn er dann in einem ganz andern Ton antwortete: Mein Sparkassenbuch? Was gehen dich meine Sparkassenbücher an –?! Und sich fortwandte …
    Ja, dann zeigte es sich doch, daß alle Gefährtenschaft und Arbeitsgemeinschaft und Betteilung einen Dreck wert waren, daß der kluge Mann nichts gelernt hatte, und daß er weiter und sturer als je große Gebiete und Felder in sich hatte, auf die seine Ehefrau nie treten durfte. Ehen sind die verletzlichsten Dinge von der Welt. Wirkliche Ehen, heißt das. Was war geschehen? Er hatte sich bloß mit einem einzigen Satz nach einer verstorbenen Freiin Fidde erkundigt und hatte erfahren, daß die Verstorbene noch im Sonnenlichte wandelte. Aber nach dieser einen Frage wußte sie alles. Und es war natürlich töricht von ihr, daß sie nun noch einmal ihre braune Briefschachtel von oben bis unten durchlas: sie wußte es ja doch sehr gut, er hatte ihr nie etwas von dieser Christiane erzählt.
    Und weil er ihr nie etwas von dieser Christiane erzählt hatte, war nicht nur ihre ganze Ehe plötzlich nichts mehr wert, sondern auch ihre ganze schöne Liebe im Klein-Kirschbaumer Lehrerhaus war auf einmal wie weg. War immer nur Lug und Betrug gewesen. Es war natürlich gar nicht so, daß sie ihn darum weniger geliebt hätte. Wenn das möglich gewesen wäre, hätte sie ihn jetzt sogar noch mehr geliebt. Nun war er ihr noch nähergekommen. Der Heldenschein um sein Haupt war matter geworden. Er war von seinem Piedestal heruntergestiegen. Er war nicht fehlerlos. Er war auch ein |415| Mensch. Er log sogar – denn heißt solches Verschweigen nicht lügen –?
    Ach, es war nicht nur zum Briefelesen und Weinen, was sie erfahren hatte. Es war auch zum Kämpfen und Eifern. Sie hatte ihn immer noch nicht. Im fünften Jahre ihrer Ehe hatte sie ihn immer noch nicht. Aber darum würde sie ihn doch gewinnen! Sie hatte nicht einmal mehr die frühere Angst vor ihm, sie wagte schon Herausforderungen. Sie fragt harmlos nach dem Sparkassenbuch oder sie erkundigt sich ebenso harmlos auf einem Spaziergang bei ihm: Was das am Horizont für ein schöner Laubwald ist? – Laubwald, wo? – Da! – Ach, so, nein, das ist kein Laubwald, das ist ein Park. – Ein Park? Ein Rittergutspark wohl? – Ja. – Und wie heißt das Rittergut? – Fidde. – Nun, so etwas spielt sich natürlich nur ab, wenn ihre Nerven einmal gereizt sind, weil er gar zu fern und fremd neben ihr hergeht. Im allgemeinen ist sie sanft und fröhlich jetzt. Sie läßt ihn ruhig den Kopf in den Sand stecken und sich glauben machen, sie sieht ihn nicht, sie sieht es nicht. Sanft und fröhlich – wenn er sie jetzt einmal nachts in die Arme genommen hat, so liegt sie noch lange wach und betet zu Gott, daß es doch dieses Mal ein Kind geworden sein möge: Lieber Gott, bitte ein Kind! Bitte, bitte ein Kind!
    Sie weiß es ja, die andere hat auch kein Kind. Die Leute erzählen, das Gesuch beim Innenministerium ist zwecklos. Wendlands werden nie Kinder haben. Schon seit Generationen sterben die Fiddes aus, lange schon stehen sie immer nur auf zwei Augen. Und es wäre so schön, wenn sie dieser Frau, wenn sie einmal kommt – und bestimmt wird sie einmal kommen, und dann wird sie kämpfen müssen, wenn sie dann dieser Frau Kinder zeigen kann, strahlende, lachende Kinder, je mehr je besser: seine Kinder aus ihrem Schoß.
    Sie weint und sie lacht. Sie ist fröhlich, und sie bittet Gott, sie bittet ihn nicht nur um ein Kind, bittet ihn nicht nur um Zwillinge, nein, sie bittet ihn auch um ein bißchen mehr Verstand. Darüber liegt sie im Bett wach, darum bittet sie, damit sie den Kampf mit der fremden, nie gesehenen Frau besser |416| bestehen kann. Ach, lieber Gott, laß mich doch auch ein ganz bißchen klüger sein, daß ich ihn schneller verstehe, daß ich immer gleich weiß, was er meint. Er wird stets so ungeduldig und gereizt, wenn ich nicht gleich weiß, was er meint.
    So steht es mit ihr.
    Und dann ist ein Nachmittag ausgangs Februar, da kommt Besuch, und der Besuch macht es, daß vielleicht alles, alles beinahe wieder ganz in Ordnung kommt. Beinahe wieder ganz in Ordnung.
    Die alte wilde Hundemeute gibt es noch nicht wieder auf dem Hof, aber zwei Köter hat Gäntschow doch schon wieder aufgetrieben, die Nachfahren des alten Räubergeschlechtes zu sein scheinen, mit

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