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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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durcheinander.
    Sie können der Dame, von der wir reden, sagt Johannes Gäntschow weiß vor Zorn, sagen, daß man nicht vierzehn Jahre schweigt, um nachher den Herrn, von dem wir sprechen, mit törichten Botschaften zu senden.
    Ich bin kein Bote, Herr Gäntschow, sagt der Vikar jetzt sehr rot, aber Sie dürfen bei mir versichert sein, daß ich behalte, was ich zu sagen habe, und nichts verwechsle.
    Verwechseln, sagt der alte Superintendent Marder und hat ein bißchen zugehört. Ich habe einmal etwas verwechselt, eine Rede, wißt ihr, eine Totenrede … Junge Frau, Sie sitzen da so hübsch und aufmerksam am Fenster – glauben Sie, daß einem so etwas vergeben wird?
    Was?! fragte Elise hastig und fährt zusammen.
    Ich bin kein Kutscher, sagt Johannes zum Vikar, aber Sie |419| dürfen vollkommen sicher sein, daß mein Wagen pünktlich auf die Minute vor der Pfarrei hält und nicht vierzehn Tage oder Jahre zu spät.
    Der Vikar bewegt ergebungsvoll die Schultern in seiner schwarzen Tuchjacke, dann sieht er zum Superintendenten hinüber.
    Eine Totenrede, sagt der grade, eine Begräbnisrede. Die eine für einen Mann und die andere für eine alte Frau – ist es sehr schlimm?
    Er sieht die junge Frau bekümmert an.
    Ach Gott, sagt Elise und legt ihre Hand leise auf die zittrige Altershand, ich glaube, in Ihrem Alter sollte man sich über nichts mehr Sorgen machen, was einmal war. Es ist sicher alles längst vergessen und vergeben.
    Ich weiß es nicht, sagt der alte Mann und wiegt den Kopf hin und her. Ich habe bezahlt und bezahlt, eine lange Zeit. Jetzt ist es friedlich bei mir, aber bis man tot ist, weiß man nichts.
    Nein, bestätigt Elise.
    Ich habe einmal geglaubt, sagt der Superintendent und sieht seinen Vikar ein wenig ängstlich an, ich wäre tot. Es war sehr seltsam. Unheimlich und seltsam. Ich bin auf allen vieren gekrochen und die Grabkreuze waren um mich bis in den Himmel aufgerichtet.
    Und was war? fragte Elise, da die andern schwiegen.
    Ich entdeckte, sagte der Superintendent, daß ich nicht tot, sondern betrunken war …
    Oh, häßlich! sagte der Vikar.
    Ich muß einmal nach den Schweinen sehen, sagte Johannes Gäntschow und stand auf. Auf Wiedersehen, Herr Superintendent. Adieu, Herr Vikar. – Er ging gegen die Tür und blieb noch einmal stehen. Richtig, Herr Vikar. Sie brauchen sich von nun an nicht mehr selbst um die Wagenbestellung zu bemühen, jeder Dorfbengel genügt dafür.
    Er schrammte die Tür zu. Dann öffnete er sie wieder, steckte den Kopf herein und sagte friedlich: Auf Wiedersehen, |420| Herr Superintendent Marder, es hat mich wirklich gefreut. Lassen Sie es sich nur immer gutgehen und machen Sie sich keine Gedanken.
    Diesmal schloß er die Tür leise und sacht.
    Eine Viertelstunde später sah Elise neben ihm über den Rand der Schweinebox.
    Sind sie weg? fragte er.
    Ja, sagte sie. Plötzlich fing sie an zu lachen. Und ich glaube nicht, daß sie wiederkommen, dem Jungen jedenfalls kroch die Röte bis unter den Kragen.
    Das muß auch so sein, stellte Gäntschow fest. Sich zu solchen Botengängen herzugeben!
    Aber erst solche Boten schicken! rief Elise etwas übereifrig aus.
    Er sah sie kühl prüfend an. Ich möchte wohl wissen, sagte er, was mit eurer Magermilch los ist. Der Lenz sagt, er kriegt täglich vier Eimer. Und deine Olga behauptet, sie gibt fünfe heraus.
    Wenn Lenz vier Eimer bekommen will, so lügt er, rief sie empört. Lenz, kommen Sie einmal her. Sie haben zum Herrn gesagt …
    Wie gesagt, wieder beinah ganz in Ordnung zwischen den beiden. Beinahe ganz. Die Boten waren zurückgeschickt, mit Schmach und mit Schande. Sie würden nie wiederkommen, nie. Elise singt, und er hat nichts gegen dies Singen. Es ist vielleicht alles anders gewesen, als er sich ausgedacht hat. Nun kann er ihr im Vorbeigehen zunicken und sagen: Du bist aber vergnügt heute. Es schien nicht tief gesessen zu haben bei ihm.
    Ja, und nun kam der Frühling, und Hof Warder erhob sich wieder einmal strahlend aus Verkommenheit und Schmutz. Im Hause blinkten die Scheiben, und die Stimme Elisens sang aus der räuchrigen Küche durch die offene grüne Haustür über die ganze Hofstatt, und nicht lange, so fielen die Stimmen von Maria und Olga ein, und das klang fröhlich. Die Dächer waren wieder heil, die Ställe waren geweißt, und |421| die Maurer hatten die herausgefallenen Fächer in der Scheune wieder aufgemauert. Hinter der Scheune aber lagen nicht mehr die großen Walzen der geschlagenen Pappeln, sie waren

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