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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Stubentür hing dein Bruder Max. Er hatte sich da aufgehängt, daß die bloß nicht aus der Stube kommen konnten.
    Er sah vor sich hin, und die andern sahen auch vor sich hin. Nach einer Weile sagte Reese: Sie sind alle verbrannt, es ist nicht eines davongekommen, und das ist nur gut so. Denn wer möchte nach so was noch leben, und wenn es auch nur ein Kind wäre. Und dies ist ein Gemeindebeschluß gewesen, und die Gemeinde hat sich mit der Feuerkasse und den Erben von Schmidt geeinigt, und sie haben es sich etwas kosten lassen: Jedes Fitzelchen haben sie von der Brandstelle fortgefahren und in die See versenkt, und wenn du heute dahinkommst, Hannes, so findest du nichts wie Acker. Und das ist nur gut so. Denn so etwas muß vergessen werden.
    Gäntschow war aufgestanden und sah sich im Zimmer nach Hut und Stock um. Ich gehe mal aufs Feld, sagte er.
    Nimm mich mit, sagte Elise.
    Nein, du mußt hier bei der Kiste bleiben, sagte er.
    Ich kann aber jetzt auch nicht stille sitzen, sagte sie. Ich möchte auch ins Freie. Der arme Max!
    Stille, sagte er böse, also du bleibst hier.
    Aber Hans, ich käme doch so gerne mit.
    Und wer soll hier bei der Kiste bleiben?
    Reese hatte schweigend zugehört. Nun sagte er: Auf die Kiste möchte ich auch schon passen können, Hannes, und du könntest deine kleine Frau immer mitnehmen. Aber du mußt selbst hierbleiben. Der Gemeinde- und der Amtsvorsteher müssen jeden Augenblick kommen. – Und wissen wirst du ja wohl auch noch wollen, wie es mit deinem Vater ging.
    Nun, sagte Gäntschow finster und stellte den Stock wieder in die Ecke, ich hoffe, mit Vater ist nicht auch noch was.
    Nein, mit deinem Vater ist nichts, Hannes. Mit deinem Vater ist es sogar sehr gut gewesen. Aber Kummer und Sorge hat er natürlich durch die Brandsache genug gehabt. Auch Geldgeschichten. Er hatte den Erben von Schmidt noch alles Verbrannte bezahlt.
    |406| Gott sei Dank, sagte Johannes.
    Ja, du sagst Gott sei Dank, und das hatte er wohl auch gedacht, als alles ausgestanden war. Aber gesprochen hat er nie mehr darüber. Er hat überhaupt kaum noch ein Wort geredet seit der Sache, sondern nur so still vor sich hin gearbeitet. Und beim Pflügen hat es ihn denn ja auch gefaßt, einen Mittag, ein halbes Jahr nach Maxens Tode, es war gerade die Zeit der Frühjahrsbestellung, da sind die Pferde ohne ihn auf den Hof gekommen und den Pflug haben sie hinter sich hergeschleift. Die Leute sind rausgelaufen auf den Acker, und da hat er in einer Pflugfurche gelegen. Herzschlag sagt ol Doktor Westfahl. Der beste Tod von der Welt.
    Welcher Schlag war das? fragte Gäntschow.
    Reese versteht zuerst nicht. Ich sage doch, Herzschlag.
    Nein, nein, sagt Gäntschow ungeduldig. Ich meine, auf welchem Feld das passiert ist?
    So meinst du das, Hannes. Ja, das kann ich dir so genau nicht sagen. Es ist nach Suhle zu gewesen. Aber die Warderleute werden es alle wissen.
    Das Dienstmädchen kam herein: Se sünd all dor.
    Laß sie reinkommen, dumm Deern.
    Ok de Olsch? Se schregt un krischt.
    Hannes, soll deine Mutter mit reinkommen?
    Rein, was rein will. Jetzt wollen wir mal blanken Tisch machen – auf einmal. Ich bin grade in der richtigen Stimmung dafür. Und das war er denn auch – darin hatte er recht. Und es half seiner Mutter nichts, daß sie sich auf die Kiste setzte und weinte und schrie und den Schlüssel nicht hergab – ol Käpten Düllmann seine Seemannskiste hatte endgültig ausgespielt. Mit Hammer und Brecheisen ging er darüber her, und Gemeinde- und Amtsvorsteher standen daneben und sagten: Das hilft Ihnen nun nichts mehr, Frau Gäntschow. Sie haben uns all diese Jahre belogen und betrogen. Und so, wie wir Ihren Mann kennen, hat er beizeiten ein Testament gemacht –
    Er hat kein Testament gemacht!
    Doch, doch. Und so, wie wir Sie nun wieder kennen, Gäntschow’n, |407| liegt es in der Kiste. Denn die Frauen können wohl eine Schrift beiseitebringen, aber verbrennen, das bringen sie nicht übers Herz.
    Nur mein bißchen Erspartes ist drin, klagte die alte Frau. Sie bat: Hannes, du kannst die Knechte wegschicken, du darfst den ganzen Hof haben. Ich zieh’ nach Dreege und kauf mir Vaters altes Haus, aber laß mir die Kiste.
    Wenn du dir ein Haus kaufen kannst, Mutter, dann will ich erst recht in die Kiste sehen, sagte Gäntschow und schlug los, daß die Kiste splitterte.
    Und dann ging die Kiste auf.
    Nein, diesmal war Kapitän Düllmanns alte Seemannskiste keine Enttäuschung. Und wenn die Leute auch lügen, die behaupten,

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