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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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sie sei bis oben gestopft voll Geld gewesen, viertel voll oder vielleicht gar drittel voll war sie schon, nur …
    O Mutter! sagte Johannes Gäntschow und starrte doch.
    Hannes, sagte Elise und sah so viel Geld, wie sie noch nie in ihrem Leben gesehen.
    Ich sage es ja, sagte Gastwirt Reese und strich seinen Bart, zufrieden, daß er bei diesem großen Akt dabeigewesen.
    Den Donner, sagte der alte Gemeindevorsteher Wilms und kratzte sich den Kopf.
    Das gibt ein endloses Protokoll, sagte Amtsvorsteher und Strandhauptmann Lange. Reese, Sie nehmen als Zeuge das Geld heraus, und Wilms, Sie zählen es. Die Parteien wollen wir erst einmal lieber nicht heranlassen. Damit nachher alles auch seine Richtigkeit gehabt hat.
    Ich will euch allen mal was sagen, erklärte Gäntschow, der nachdenklich in die Kiste gestarrt hatte. Das ist alles bloß Schiet, da wisch ich mir …
    Hans!
    Nu was denn? Seht ihr das denn nicht? Inflationsgeld ist das! Vorkriegsgeld ist das! Das hat sie gehamstert und das schenk ich ihr wieder.
    Hannes, wenn du das tust …! Die alte Frau auf dem Sofa weinte, vor Freude jetzt.
    |408| Recht hat er, sagte Reese enttäuscht, aber ein gewaltiger Anblick war es doch.
    Ja, nun zeigte es sich, daß Frau Gäntschow nie eine Gäntschow geworden, sondern immer eine Düllmann’sche geblieben war. Seit netto vierzig Jahren hatte sie für sich gearbeitet, hatte Mann und Kinder und Hof betrogen. Nein, es gab da nicht nur Inflationsgeld. Es gab auch schönes Vorkriegsgeld, es gab die braunen Tausender mit blauen und mit roten Stempeln. Es gab die Darlehnskassenscheine aus dem Kriege, und es gab Zehntausender und Milliarden- und Billionenscheine. Der Gastwirt Reese ereiferte sich richtig.
    Es ist ja wohl eine Sünde und eine Schande, Gäntschow’n, und Sie müßten sich ja so schämen, daß sogar die Fußsohlen Ihnen rot würden, wenn man bedenkt, was Sie alles für den Haufen Geld zur rechten Zeit hätten kaufen können. Und nun ist es bloß Dreck.
    Legt es hierhin, legt es ihr immer hin auf den Sofatisch.
    Und die Geldpakete türmten sich vor der alten Frau. Und sie saß da mit den eisgrauen Zotteln über der schwarzen Stirn und weinte und lachte. Und verbeugte sich vor ihrem Sohn und dankte ihm viele Male für seine große Güte.
    Was willst du mit ihr machen, Hannes? fragte der Gemeindevorsteher. Willst du sie auf dem Hof behalten?
    Ich dachte, ich miete sie irgendwo in Dreege ein. Da ist sie zu Haus. Bei uns ist sie nie zu Haus gewesen.
    Anstalt. Nur Anstalt, sagte der dicke Amtsvorsteher kurz. Wo Sie alle Ihre Augen haben, möchte ich wohl wissen. Daß die Frau krank ist und wahrscheinlich schon viele Jahre krank gewesen ist, dafür brauche ich keinen Doktor Westfahl. Aber ihr Bauern! Ihr Bauern! Wenn ich das schreibe, wie ihr manchmal mit euern Frauen umgeht, was ich da schon erlebt habe, man schlüge mich wohl tot.
    Nun, da ist unser Hannes ein anderer Mann (sagte Gastwirt Reese, und Gäntschow hatte alle Lust, den alten Schurken mit einem Schlag auf den Boden zu legen), da braucht man ja nur die junge Frau anzusehen.
    |409| Macht vorwärts, Leute, macht doch zu, daß wir zu Ende kommen. Ich habe von zwölf bis eins Amtsstunde.
    Nein,
nur
verfallenes Papiergeld enthielt die Kiste doch nicht. Da war ein Beutel, oder richtiger ein Beutelchen mit schönen Goldstücken aus der seligen, reichen Friedenszeit. Das klingelte erfreulich. Der alte Wilms aber sagte mißbilligend zum Sofa hinüber: Davon hat sie natürlich nie nichts gehört: Gold gab ich für Eisen – aber verantwortlich ist sie nicht, setzte er rascher hinzu. Denn die Alte streckte ihre Hände wie ein kleines Kind mit Bitte-Bitte nach dem Goldgeklingel aus.
    Es war überhaupt ein Wunder und ein Grauen, wie die alte Frau in zwölf Stunden verfallen war. Der Verlust der Kiste hatte wohl das letzte bißchen Verstand aus ihrem armen Kopf geblasen. Und was versteckt vor aller Welt gelegen hatte, das lag nun offen zutage. Sie spielte mit dem Geld, zählte und zählte es immer wieder und lachte vor sich hin und geheimniste und steckte ein Paketchen da ins Sofapolster und eins dort und ließ die Männer in ihrer geliebten Kiste, die sie sich doch extra vom Erbteil ihres Vaters ausgebeten hatte (und wahrscheinlich ist sie damals schon krank gewesen, Hannes) – sie ließ sie da wirken, wie sie wollten.
    Nein, es gab auch gutes, gültiges Geld. Rentenmark und Reichsmark. Und diese Summe belief sich auf siebzehntausend Mark.
    Das hat sie alles aus dem Hof gezogen,

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