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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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verschwunden, sogar die Stubben waren gerodet. Und junge Bäume standen am Pfahl und freuten sich am Saftanstieg und an der Sonne.
    Im kleinen Bauerngarten summten ununterbrochen in die alten Strohkörbe die Bienen aus und ein. Die Dungstätte ist sauber gepackt, keine Jauche steht mehr auf dem Hof – und über die Felder klappert die Drillmaschine, der Bauer führt selbst das Steuerrad, und schnurgerade läuft die Radspur über den Acker. Um die Drillschare fällt der lockere Boden zusammen und birgt die Saat: Sommerweizen, Gerste und Hafer. Der Knecht sagt: Die Fidder! – Und Johannes Gäntschow hebt den Blick und sieht zwei Reiter, Frau und Mann, den Feldweg nach Kirchdorf entlang traben. Es ist zu weit fort, er sieht nur, es ist ein Brauner und ein Rappe. Die Dame trägt einen schwarzen, steifen Hut und sitzt mit einem schwarzen Reitkleid im Damensattel. Er meint, die Sättel janken zu hören. Und vorbei, vorbei …
    Er ruft seinem Pferd zu: Komm, Liese, komm doch rum. Und er schnauzt den Knecht an, der die Drei-Meter-Maschine nicht sauber genug herumbringt. Dann aber sind sie in der alten Spur, die Schare werden gesenkt und die Maschine klappert los. In die Erde fällt die Saat. Er geht und steuert. Er hat kühne Augen, seine Brauen werden immer buschiger. Sein Gesicht ist scharf und entschlossen, der Mund schmal – aber woran denkt er?
    Vielleicht denkt er daran, daß er noch einmal den Kampf gegen Unordnung und Unkraut aufgenommen hat, aber diesmal auf dem eigenen Land. Jawohl, jawohl, diesmal reitet er nicht stolz über unendliche Äcker, hier gibt es keinen Harras, er führt selbst das Steuerrad an der Drillmaschine, er ist kein großmächtiger Administrator mehr, Herr über hundertzwanzig Leute. Er ist heruntergestiegen von Pferd und Thron, er ist hinaufgestiegen, er ist Bauer. Der Boden |422| unter seinen Füßen ist noch nicht der, der er sein sollte. Eine noch so sorgfältige Frühjahrsbestellung kann die Fehler von vier Jahren nicht ausgleichen. Aber er hat viele Jahre vor sich, er arbeitet auf weite Sicht, er ist auf eigenem Land, es kann alles zurecht kommen.
    Denkt er daran? Sicher auch daran. Es ist Mittag geworden. Er sagt den Leuten Bescheid wegen der Nachmittagsarbeit, sieht noch einen Augenblick zu, wie den Pferden das Futter geschüttet wird, ruft in die Küche: Mittag heute für mich erst um eins! Er kramt in seinem Schreibtisch, nimmt seinen Handstock und geht los nach Kirchdorf.
    Er kommt auf den Marktplatz. Vor dem Schwedischen Hof führt der Hausknecht zwei Reitpferde auf und ab, einen Rappen und einen Braunen. Er geht darauf zu. Aber dann biegt er links ab und geht in den Laden von Kaufmann Stavenhagen, der eine Nebenstelle für Raiffeisen führt. Hier habe er ein Buch, so und so, es müßten noch die Zinsen seit vielen Jahren gutgeschrieben werden, dann wäre da noch die Entwertung, kurz und gut, ich will das Buch auflösen.
    Alles Geld auf einmal, Herr Gäntschow? fragt der alte Stavenhagen dienernd.
    Alles auf einmal, sagt Herr Gäntschow, reinen Tisch.
    Da müssen Sie sich aber ein paar Tage gedulden, sagt der Kaufmann Stavenhagen. Ich muß erst in Bergen nachfragen. Sie wissen ja, ich muß das erst nachprüfen lassen.
    Er lacht.
    Es eilt nicht, es eilt nicht, sagt Gäntschow und zieht seine Mütze. Sie schicken mir dann den Schiet runter Ende der Woche.
    Jawohl, Herr Gäntschow, jawohl. Und wenn Sie mal was brauchen sollten?
    Guten Tag, sagt Gäntschow und geht.
    So macht man das. Eine Transaktion über größere Summen, eine liquidierte Jugend, und es eilt nicht. Sie schicken mir den Schiet Ende der Woche runter. Keine lächerliche Herumzerrerei mehr mit Erinnerungen, kein alberner Stolz – |423| jetzt hat er wieder Geld. Er wird erst einmal Kunstdünger für die Kartoffeln kaufen, soviel er braucht, und Leutelöhne für das Hacken kann er sich auch bewilligen, daß die Nachbarn ein Grauen kriegen sollen.
    Er geht wieder über den Marktplatz, an den Reitpferden und dem Hausdiener vorbei. Er geht in den Schwedischen Hof, schnurstracks in den Schwedischen Hof. Wir haben alles über Bord geworfen, wir können jedem Menschen guten Tag sagen. Schluß damit, Strich drunter!
    Hinter der Theke steht nur der alte Reese. Draußen ist herrlicher Sonnenschein, aber drinnen in der Gaststube ist es kühl und dämmerig.
    Guten Tag, Hannes. Und wenn es einem nicht die Leute erzählten, daß du noch lebst, so sollte man ja wohl denken, daß du längst hinunter wärest. Einen großen Kognak?

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