Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
Vom Netzwerk:
Bitte schön. Ja, das sind die Fidder Pferde. Die Braune ist ein englisches Vollblut, und der Rappe ist ein Halbblüter aus Trakehnen. So etwas gibt es jetzt Gott sei Dank alles wieder auf Fidde. Wer Geld hat, kann den Teufel tanzen sehen. Und der Herr Wendland soll ja ein Rasiergeschirr aus purem Golde haben. Napf und Schale, sogar der Griff vom Pinsel aus Gold. So ein Unsinn – ich zitterte, wenn ich solche Kostbarkeiten im Hause hätte, und er läßt es einfach offen auf seinem Waschtisch stehen – jetzt sind sie beim Superintendenten Marder. Ganz kindisch ist der Alte geworden. Ja, der hat all die Jahre seiner zweiten Ehe auch nichts zu lachen gehabt. Einmal soll er sich ja an der Telefonstrippe aufgehängt haben. Aber sie soll ja dazugekommen sein und ihn abgeschnitten haben. Und wenn die Leute nicht lügen, hat sie ihn hinterher sogar noch verdroschen. Aber die Leute lügen ja immer. Noch einen? Recht so, Nachbar, auf einem Bein kann man nicht stehen. Ja, die junge Frau besucht ihn noch ab und an. Herr Wendland kommt wohl nur aus Höflichkeit mit. Er ist ein sehr höflicher Mann. Er tut alles, was sie will. Aber so einfach ist er auch nicht. Wenn er seine Tour hat, fährt er ganz alleine mit dem Viererzug bis zu mir vor die Tür. Der Hausknecht muß die Pferde |424| halten, und er setzt sich hin und trinkt. Der Friedrich muß die Pferde halten, so lange es eben dauert. Es darf nicht ausgespannt werden, und er trinkt einen nach dem andern. Denkst du, er spricht ein Wort? Nie ein Wort, Johannes! Er klopft mit dem Glas auf den Tisch, das heißt, er will noch eins. Er zeigt mit dem Finger auf eine Buddel, das heißt, nun will er davon. Er trinkt und trinkt. Er bekommt starre Augen wie ein Fisch. Er hat so blaßblaue Augen. Wie ein toter Dorsch sieht er dann aus. Nun hat er das viele Geld, Johannes. Aber glaubst du, daß er glücklich ist? Nicht die Spur. Später kommt immer die Gräfin – wir sagen noch immer Gräfin. Ich meine Frau Wendland. Später kommt sie und trinkt mit. Sie sitzt dann nur so neben ihm, erzählt ihm was oder schwätzt mit mir und trinkt mit. Immer, wenn er einen trinkt, trinkt sie auch. Sie paßt genau auf, daß sie keinen ausläßt, denn so was ärgert ihn. Und plötzlich steht er dann auf und sagt: Du hast genug, komm. Torkeln oder so was? Hannes, keine Spur. Grade wie ein Brett. Ein richtiger Stockfisch, große, weiße Raffzähne vorne wie ein Kaninchen. Sie sagt: Ich trinke gerne noch einen, Joachim. Aber er hört nichts. Geht gerade raus, auf seine Coach, Zügel in die Hand und pfeilgrade los – der Friedrich kann immer eben nur zur Seite springen. Dann steigt sie in ihren kleinen Selbstfahrer und fährt hinterher. Ein Wutkopf, sage ich dir, Hannes – glaubst du, daß sie glücklich ist? Nicht die Spur. – Aber sonst, wenn er nicht gerade seine Touren hat, höflich und umgänglich. Er kann sogar lachen. Aber Gott bewahre mich vor dem Lachen! – Nun, du willst wohl gehen. Ja, die bleiben heute länger. Manchmal kommen sie hinterher noch rum und trinken bei mir einen Bittern. Aber ich glaube, heute nicht mehr. Es hätte sonst gut gepaßt, daß du deiner Freundin von früher wieder einmal guten Tag gesagt hättest – es war zu komisch, daß du gedacht hattest, sie ist tot. Ja, nun mußt du wohl gehen. Eilige Zeit jetzt, nicht wahr? Ich merke es auch im Geschäft. Keiner hat Zeit, ein Glas Bier bei mir zu trinken. – Also dann guten Tag, Hannes, laß dich wieder einmal sehen. Ich danke auch schön.
    |425| Die Sonne liegt noch immer auf dem Marktplatz. Vor der Superintendantur sind die Bäume noch viel breitästiger geworden. Jetzt könnte man von dem Fenster des Arbeitszimmers nicht mehr den Marktplatz überschauen. Das Halbblut scharrt bittend mit dem Huf. Ihm wird die Zeit wohl lang. Es geht nicht danach, Halbblut, ob dir die Zeit lang wird. Es geht danach, wie es mit ihrer Zeit bestellt ist.
    Er wird über den alten Kirchhof gehen. Hier die Eisenpforte quietscht noch wie eh und je. Man könnte sich einmal Vaters Grab ansehen. Er muß da hinten an der Mauer liegen, im Gäntschowschen Erbbegräbnis, unter riesigen, polierten Steinen. Mit Goldbuchstaben, die so schnell blaß werden. Ich jedenfalls will hier nie tot sein. Mich sollen sie in meinem Acker verscharren. Und ich werde das testamentarisch richtig machen, daß sie Luzerne über mir pflanzen. Die bleibt acht oder zehn oder zwölf Jahre grün – und dann weiß kein Mensch mehr was von mir, und ich am allerwenigsten.
    Ja, sieh

Weitere Kostenlose Bücher