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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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umsonst gefreut, es kam anmarschiert, grade auf sie zu. Genau in ihr Herz. Eine Weile hatte sie gemeint, es bliebe ihr erspart. Aber nun kam es doch.
    Wann hast du sie gesehen? fragte sie. Du hast mir nichts davon gesagt.
    Ich gehe dann noch nach Kirchdorf, sagte er, und besorge |428| ein bißchen Schnaps und Zigarren. Sieh zu, daß du einen netten Kuchen bäckst.
    Wie soll ich bis vier Uhr noch einen Kuchen backen? fragte sie verzweifelt. Du hättest es mir früher sagen sollen. Du hast es doch auch früher gewußt.
    Es ist jetzt halb eins, sagte er. Bis halb fünf hast du vier Stunden Zeit, du wirst doch in vier Stunden einen Kuchen backen können?!
    Er stand auf. Sein Ton war immer kälter geworden. Er tat so, als sehe er ihre überfließenden Augen nicht. Er ging zur Tür.
    Oh, Hans, rief sie.
    Er drehte sich scharf um und fragte böse: Wie bitte? und sah sie an.
    Sie sah ihn wieder an, sie wollte etwas sagen. Sie wollte ihn bitten, diesen Besuch abzusagen. Vielleicht in einer Woche. Gerne in einer Woche. Wenn sie sich daran gewöhnt haben würde. Nur grade heut nicht …
    Aber er sah sie so böse an, daß sie nur sagte: Hans …
    Noch immer stand er da und sah sie an. Sah sie bloß an, wie sie sich quälte, sah es mit kalten Augen und drückte sie nur immer tiefer. Dann drehte er sich wieder um und ging zur Tür.
    Dieses Mal, dieses Mal rief sie ihn nicht wieder an. Sie hörte, wie er draußen den Hunden pfiff, die freudig aufjaulten. Dann dachte sie daran, daß nicht genug Kaffee im Haus war, und daß er den in Kirchdorf gleich mitbesorgen könnte. Dann dachte sie an ihren Kuchen, der todsicher mißraten würde, denn sie war keine große Kuchenbäckerin. Und er würde bestimmt denken, sie habe ihn absichtlich mißraten lassen …
    Und dann überwältigte sie all ihr Jammer, all ihre Vorahnung kommenden Unheils so, daß sie sich an den Eßtisch setzte, den Kopf auf die Arme legte und weinte, weinte, weinte …
    Trotzdem war er ganz zufrieden, als er kurz vor halb fünf |429| den Kaffeetisch besichtigte. Sie hatte zu jedem Gedeck kleine Blütenzweige gelegt und ein bißchen helles Birkengrün. Es gab zwar keinen selbstgebackenen Kuchen, aber sie hatte vom Dorfbäcker Zwiebäcke mit irgendeinem Aufguß bekommen. Es sah alles nett aus. Und die Sonne schien so hell durchs Fenster auf den weißen Tisch. Er sagte auch: Sehr nett, und nahm sich eine Zigarre aus der neuen Kiste. Weiß Gott, sie war zweifelhafter, was eine geborene Gräfin Fidde von solchem bürgerlichen Kaffeetisch denken würde. Aber er war so anspruchslos.
    Sehr nett, hatte er gesagt. Und das war sehr viel. Und sie war darum auch vor Freude errötet. Sie hatte ihren schwarzen Rock angezogen und dazu die rosaseidene Bluse. Und er ging nun im Zimmer auf und ab, und sie merkte gut, wie er das in die Hand nahm und weglegte und jenes wieder aufnahm. Sie merkte gut, daß er aufgeregt war.
    Das hatte sie noch nie bei ihm kennengelernt. Und ihr Herz fing schon wieder an zu schmerzen. Ja, er war aufgeregt. Aber er war auch guter Laune. Er sprach mit ihr, wie er eben mit ihr sprach. Er erzählte ihr also, daß der Hafer nun endlich fertig gedrillt sei. Und nun gehe es mit Macht los auf die Kartoffeln. Und er werde dafür Saatgut aus Meechow bekommen – und mitten im Satz brach er ab. Sie hörte einen Wagen rollen. Er stand am Fenster und rief: Da sind sie!
    Und wie er das rief, da schmerzte ihr Herz wieder.
    Er ging zur Begrüßung hinaus, und es schien ihr sehr lange, bis die drei wieder zu ihr, der Hausfrau, hereinkamen. Und dann ging eine große, schöne Frau auf sie zu und gab ihr gleich beide Hände und sagte rasch etwas von einem kleinen Mädchen, das also mehr Mut gehabt hätte als alle Frauen von der Welt, und: Sicher ist er noch immer derselbe Starrkopf wie früher. Und wenn man ein Wörtchen sagt, das ihm nicht paßt, so runzelt er die Stirn und schmollt drei Tage lang. Und wie Sie es aushalten, das verstehe ich nicht. Aber Sie halten es ja sogar sehr gut aus, so wie Sie aussehen …
    Und ihr Herz ging plötzlich leichter und freier. Und auch |430| sie sagte rasch ein paar Worte, dumme Worte, die gar nicht paßten, daß sie sich über den Besuch freute – Und dann sah sie ihren Mann an, und das Glänzen in seinen Augen, das sie nie, nie zuvor gesehen hatte, und eine Helle in seinem Gesicht, die sie nie zuvor entzündet. Und sie brach ab mitten im Wort, und der Schmerz wurde so unerträglich stark in ihr, daß sie rasch der andern ihre Hände

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