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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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liegt ein Ausbauhof von Pattchow, sagte Gäntschow.
    Danke, danke, sagte der Vikar. Und also dann: Keine Feindschaft.
    Er streckte Gäntschow seine Hand hin.
    Da aber war es bei dem zu Ende. Er setzte sich auf den nächsten besten Stein und brach in ein überwältigendes |467| Gelächter aus: Ach Gott, Herr Oldörp, ach Gott, ach Gott, stöhnte er lachend. Wenn ich gewußt hätte, was für ein harmloser Trottel Sie sind, ich hätte Sie nie und nimmer diesen Berg hinuntergefahren.
    Und immer noch lachend watete er wieder ins Wasser, um endlich die Pferde vom zerbrochenen Wagen loszumachen. Als er beim Durchschneiden der Sielen einmal hochsah, sah er den schwarzen, seelsorgerischen Rücken würdig und gerade um die Küstennase entschwinden.
    Es war unvermeidlich, daß diese Geschichte herumkam bei den Leuten auf Fiddichow. Unvermeidlich, und doch eigentlich rätselhaft, wieso. Denn Johannes Gäntschow hatte bestimmt mit keinem andern über die Sache gesprochen, nicht einmal mit den Wendlands. Mit den Wendlands zuallererst nicht. Und es war ja auch ganz unwahrscheinlich, daß Vikar Oldörp sie weitererzählt hatte. Es war ganz und gar keine Geschichte für ihn zum Weitererzählen.
    Trotzdem wußten die Leute sie nach vierundzwanzig Stunden. Vielleicht hatte doch einer die zugebundenen Türen gesehen, ein anderer hatte den Gäntschowschen Wagen unten in der See entdeckt, trotzdem ihn Johannes noch am gleichen Tag geholt hatte. Der Ausbaubauer von Pattchow, bei dem der Vikar um Fuhrwerk gebeten, hatte vielleicht etwas erzählt. Und die Hochzeitsgäste in Pattchow wieder etwas anderes. Und dann hatten die Knechte aus dem Gäntschowschen Stall ihren Teil dazugegeben. Sie hatten doch die nassen, verschreckten Pferde abreiben müssen – genug, die Geschichte tauchte an zehn Stellen zugleich auf. Sie ging wie ein Lauffeuer über die Insel, und für Johannes hatte sie erst einmal die etwas überraschende Wirkung, daß die Leute wieder anfingen, ihn zu grüßen, mit ihm zu reden.
    Dein Weizen auf dem Weisel steht aber großartig, Hannes, sagten sie und meinten damit: du Teufelskerl, du Donnerskerl!
    Nicht ganz dasselbe meinte Frau Christiane, wenn sie sagte: Als wenn ich nicht so etwas gedacht hätte, Hannes! |468| Aber ich habe dich ja absichtlich nicht gefragt, und es ist wahrhaftig für meine Ruhe besser gewesen. Da haben wir nun also wieder was gemacht. Und wahrscheinlich sind wir nun sogar noch stolz darauf. Und dabei haben wir uns doch eigentlich den ganzen Bilderbogen ziemlich genau in unsern Kindertagen besehen, und »der Bullenberger« stand darüber. Und am Schluß war ein Schuß und ein Grab ohne Stein. Aber man soll es auch nicht übertreiben. Denn der Bullenberger hatte höchstens zwanzig Mann gegen sich, du aber die ganze Insel. Und was am Schluß des Bilderbogens Johannes Gäntschow stehen wird, davon kann ich wohl träumen, reden aber will ich nicht davon …
    Und was träumst du von dem Schluß, Tia? fragte Johannes.
    Ja, das möchtest du nun wohl wissen. Denn eitel bist du wie alle Männer. Und du bist überhaupt der eitelste Mann, den ich in meinem ganzen Leben getroffen habe. Und einen heroischen Schluß mit Blut und Flammen und möglichst einem ganzen Weltuntergang, den hättest du natürlich am liebsten. Aber ich fürchte, Hannes, es wird nichts damit. Das Schicksal arbeitet etwas hinterlistig, die stärksten Helden wirft am Ende eine Kinderhand um …
    Sie stand am Fenster, sah in den grauen, regnerischen Tag hinaus und fing an, mit den Nägeln einen leisen Wirbel gegen die Scheiben zu klopfen. Sie brach ihn aber rasch wieder ab, drehte sich um und sagte: Ich will euch sagen, was ich jetzt tun werde: ich werde meine Senta satteln und ein bißchen ausreiten. Nein, bleibt ihr hier bei euerm Schach. Die Sache mit Oldörp ist mir doch etwas auf die Nieren geschlagen, und ich möchte mir die Welt ein bißchen ohne Männer ansehen. Manchmal habe ich das Gefühl, es gibt doch zu viel Männer, mehr jedenfalls, als eine einzelne Frau ertragen kann. Und da wird mir das Zusammensein mit einer vernünftigen Frau wie der Senta nur guttun. Sie lachte, und lachend ging sie aus dem Zimmer.
    Gäntschow, Herr Gäntschow, sagte Wendland etwas mißbilligend und setzte dabei die Schachfiguren auf, so etwas tut |469| man nun aber wahrhaftig nicht. Dieser Oldörp, ich weiß wirklich nicht, wie Sie sich an so etwas vergreifen können. Der ist doch überhaupt kein Mensch.
    Sie müssen ihn einmal danach fragen, sagte

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