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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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gewesen und hat gezittert vor Zorn, daß die Frau vor Angst immerzu geweint hat.
    Und wie sie vor dem Park auf der Landstraße gewesen sind, hat er sich auf einen Chausseestein gesetzt und hat ihr Schuh und Strümpfe ausgezogen, so wahr ich hier stehe, Herr Vikar, das hat er gemacht, und hat zu ihr gesagt: Wenn du spionieren willst, dann sollst du auch lernen, wie weh spionieren tut. Nun lauf.
    Und er ist weggegangen mit den Schuhen und Strümpfen, natürlich wieder ins Schloß, und die arme Frau hätte ja wahrhaftig mit ihren weißen, kleinen Füßchen die sechs Kilometer nach Warder laufen müssen, wenn der Bauer Langbehn sie nicht zu sich auf seinen Wagen genommen hätte. So ein Untier ist das. Und wenn Sie es mir nicht glauben, Herr Vikar, so fragen Sie die Frau Gäntschow selbst und den Bauern Langbehn, wie er sie da gefunden hat, und ob so etwas nicht eine Schmach und Schande ist und nicht an den Pranger müßte, das weiß ich ja nicht, Herr Vikar.
    Der Vikar Oldörp aber wußte es, und er wartete nur auf seine Gelegenheit. Und eines schönen Sonntags schlüpfte denn auch der Kirchendiener zu ihm in die Sakristei und flüsterte ihm aufgeregt zu: ja, nun sei es soweit, nun seien sie da.
    Und der Vikar ließ sofort seinen ganzen schönen, vorbereiteten Predigttext fallen und holte einen andern aus seinem Herzen, der aber auch gut vorbereitet war. Er erstieg seine Kanzel, und zu seinen Füßen sah er in dem schönen, altersbraunen Kirchenstuhl der Grafen Fidde das Ehepaar Wendland sitzen. Denn Christiane Wendland war eben auch wie alle Frauen, die lieber nach ihrem Herzen als nach ihrem Kopf handeln. Und wenn sie auch für ihr Teil nicht sehr gläubig war, so mochte sie das ja ihrem alten Lehrer, dem Superintendenten Marder, nicht antun, daß sie gar nicht mehr in seine Kirche ging. Zudem wußte sie von ihrem Vater, daß man den Leuten die Religion erhalten und ihnen ein Beispiel geben muß.
    So saßen denn die Wendlands wieder einmal in ihrem Kirchenstuhl und hörten sich eine Predigt an von der schweren |461| Sünde des Ehebruchs und von den großen Leuten, die ein Beispiel hätten geben müssen und ein Gespött geworden seien im Lande. Alle Sprüche mußten sie anhören von dem Weibe, das man nicht ansehen darf, ihrer zu begehren, bis zu dem »Gehe hin und sündige hinfort nicht mehr«.
    Christiane aber dankte ihrem Schöpfer, daß sie einen so selbstbeherrschten, kühlen Hamburger zum Mann und neben sich im Kirchenstuhl hatte, der nicht eine Miene verzog, sondern aufmerksam bald den Geistlichen, bald die versammelte Gemeinde betrachtete, in seinem Gesangbuch etwas nachsah, bei einer donnernden Stelle sorgfältig mit einem Seidentuch die große, helle Schildpattbrille putzte und der gerade und vergnügt plaudernd an ihrem Arm zu dem vorgefahrenen Wagen ging.
    Und, o Gott, Hannes, sagte sie wieder einmal zwischen Weinen und Lachen, wenn ich dich bei mir gehabt hätte, du hättest ja wohl mit dem dicken Gesangbuch nach dem Idioten, dem Oldörp, geschmissen oder hättest noch lauter als der zu schreien angefangen, trotzdem das eigentlich gar nicht ging. Aber nun wird uns beiden ja gar nichts anderes mehr übrigbleiben, als daß wir wirklich Ehebruch treiben, damit Vikar Oldörp und die Gemeinde und die Insel und deine liebe Frau dazu endlich ihren Willen bekommen.
    Ich fahre morgen auf das Konsistorium, erklärte Wendland kurz und bestimmt.
    Ja, das wirst du tun, Stupps, sagte sie. Und da du dich doch nicht zurückhalten läßt, sage ich auch kein Wort dagegen. Und selbstverständlich wird unser eifriger Freund Oldörp abberufen werden, und alle Leute werden schreien, daß die großen Leute immer zusammenhalten und tun und treiben dürfen, was sie wollen. – Aber was hier unser Freund Johannes Gäntschow erst anfangen wird, daran mag ich gar nicht denken, und danach mag ich gar nicht fragen. Denn dann schliefe ich wohl in den nächsten Nächten überhaupt nicht mehr.
    Das Schlimme für Johannes Gäntschow aber war, daß er noch gar nicht wußte, was er tun sollte, und daß er in einer |462| heißen Flammenwut umherging und Tag für Tag an seinem eigenen Zornesfeuer verbrannte. Denn daß er es diesem Oldörp besorgen mußte, daß der bestraft werden mußte, so viel war sicher. Und daß das keine einfache Ohrfeige oder eine Tracht Prügel sein durfte, so viel war auch sicher.
    Als aber das Ende der Woche herangekommen und ihm immer noch nichts eingefallen war, da lief ein Junge auf den Hof und meldete, daß morgen

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