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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Gottlieb – das hast du wieder falsch gemacht, Mann – eil dich doch ein bißchen, Oller – stink hier in meiner guten Stube nicht mit deinem Tabak rum – ach, gnädige |511| Frau, ich habe ja doch wahrhaftig nicht eine ruhige Minute mehr gehabt.
    Er seufzte schwer und kummervoll in dem Garten, der von der aufgehenden Sonne immer heller wurde.
    Ja, sagte er, und ich bin ein Mann gewesen, der mit den schwierigsten Arbeiten fertiggeworden ist. Und nie hat ein Vorgesetzter an mir rumgemäkelt, meine Sache hat immer geklappt – und nun von morgens bis abends dies ewige Gedröhne in den Ohren: Tu das und tu das nicht – ja, gnädige Frau, wozu denn? Meine Arbeit auf dieser Erde habe ich getan. Ich hab bloß noch zu sterben – und das je eher je besser. Und nun haben Sie mich doch wahrhaftig gerettet!
    Er sah kopfschüttelnd auf den zerrissenen Strick neben sich im Grase. Er hatte kein Grauen und keinen Ekel vor ihm, er sah ihn an.
    Nun, ich will Ihnen beileibe keine Vorwürfe machen, gnädige Frau. Es ist wohl Menschenart, daß wir keinen so einfach ausreißen lassen, sondern recht froh über all die lieben Leidensgefährten sind. Ich hätt’s wohl auch nicht anders gemacht. Aber zum Verzweifeln ist es. Und heute nacht waren wir noch so fidel. Und was haben wir über Ihren lieben Mann gelacht. Und wir haben ihn noch alle drei richtig in seinen Zug gesetzt und fort nach Fiddichow gewinkt: der Hundertmark, der Bieratz und ich.
    Aber weil wir den Kanal nicht voll kriegen konnten und weil das Nachhausekommen nach solch langem, unentschuldigtem Ausbleiben nicht schön ist, haben wir wieder mit Trinken angefangen. Und da sind doch glücklich die zwanzig Mark, die mir Ihr Mann gegeben hat, draufgegangen und damit meine beste Entschuldigung und Möglichkeit, ohne allzuviel Gebrumme bei meiner Frau durchzukommen.
    Und wie ich so nach Haus komme, und es war die schlimme Stunde um drei, wo einem schon so immer so traurig zumute ist, und ich mach die Tür auf, und da sitzt doch wahrhaftig meine Frau im Lehnstuhl, den Ausklopfer vor sich, aber eingeschlafen, da habe ich gedacht: Nee, Gottlieb, |512| die Melodie mit Schinkenkloppen, die willst du nun auf deine alten Tage nicht mehr singen lernen – und bin hier in den Schuppen gegangen, und schwer ist es mir nicht geworden, liebe gnädige Frau. Schwer ist mir nur das Aufwachen geworden.
    Er sah sie trübe zwinkernd, aber doch merklich erleichtert an.
    Ja, ja, sagte Christiane gedankenvoll und erwiderte seinen Blick. Und da wir nun wissen, wie der Kranke zu seiner Krankheit gekommen ist, was machen wir nun mit Ihnen?
    Was soll man da machen? sagte Haase. Bei mir ist gar nichts mehr zu machen. Sie wird wohl fürchterlich schimpfen. Aber dieses Mal ist es nicht so schlimm. Ich werde daran denken, daß wir hier so in aller Tau- und Morgenfrühe zusammengesessen haben und uns gegenseitig getröstet.
    Gegenseitig getröstet? dachte Christiane flüchtig, dann aber sagte sie: Ich werde Ihnen jetzt erst einmal zweihundert Mark geben, Herr Haase, und Sie erzählen Ihrer Frau, die haben Sie meinem Mann abgejagt, und deswegen sind Sie zu spät gekommen …
    Ach Gott, nein, sagte Haase ganz verblüfft, Sie haben Geld? Und Ihr Mann pumpt sich was auf Hundertmarks Hechte hin und fährt in die Welt, um was anzuschaffen – ach nee, ich Schaf denke immer, ich hab allein so ’ne meschuggene Ehe, aber …
    Unsinn, Herr Haase, sagte Christiane. Natürlich weiß mein Mann, daß ich Geld habe.
    Und nichtsdestotrotz? Herr Haase schüttelte seinen Kopf noch viel mehr. Ich sage ja, man lebt immerzu und hat von nichts ’ne Ahnung.
    Nein, die haben Sie freilich nicht, Herr Haase, und die werden Sie auch nicht mehr bekommen. Und vergessen Sie nicht, sich um den Hals ein Tuch zu binden, der sieht schlimm aus, und Ihre Frau würde einen schönen Schrecken kriegen.
    Es ist mir nicht so um den Schrecken, gnädige Frau, sondern |513| das Tuch binde ich um, damit sie nicht eine Minute lang denkt, sie hat die Oberhand.
    Und damit Sie hier mal ein bißchen rauskommen und was zu tun kriegen, werde ich Sie heute mittag mit einem Brief zu meinem Mann nach Fiddichow schicken, vielleicht können Sie da ein paar Wochen bleiben. Mit Ihrer Frau mache ich es schon in Ordnung.
    O Gott, gnädige Frau, wenn Sie mir wirklich das Geld geben, und es wird was aus der Reise – dann ist es ja noch gar nicht so schlecht. Und man könnte noch einmal versuchen, ob es einem nicht wieder ein bißchen Spaß macht …
    Also kommen

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