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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Gottlieb, wenn du dafür ein anderes Gesicht machen möchtest.
    Danke schön, Hundertmark, fängt Haase grade an …
    Aber Gäntschow unterbricht ihn. Er hat sich aufgesetzt und sieht sehr belebt um sich. Sie sollen ihm gar keine Hechte schenken, Hundertmark, erklärt er. Sie sollen jetzt alle Ihre Hechte in einen Sack tun, und damit marschieren wir alle drei nach Tütz zu dem dicken, versoffenen Hotelier – wie heißt er doch?
    Bieratz, sagte der Förster. Aber das ist Unsinn, Herr Gäntschow. Bieratz kauft doch auch keine Hechte, und nun gar sechzig Pfund in der Sommerzeit.
    Er soll sie auch gar nicht kaufen, wir schenken sie ihm. – Wir kommen hin, erklärte er, als besuchten wir ihn wie richtige Gäste und verehren ihm die Hechte und bestellen uns ein schönes Mittagessen – ich habe schon lange verdammten Hunger auf ein ordentliches Stück Fleisch – mit einer guten Pulle Wein – es können aber auch dreie oder viere werden – und wir laden ihn ein dazu, und wenn der richtige Moment gekommen ist, pumpe ich ihn um einen Hunderter an. Und Sie, Hundertmark, kriegen dann Ihre Hechte von mir bezahlt, und Sie, Haase, kriegen was a conto. Und von dem Rest fahre ich nach Fiddichow.
    O Gott, sagt Haase überwältigt, aber mehr durch die Aussicht auf Getränk.
    Das kann höllisch schiefgehen, sagt Hundertmark bedenklich. Wenn Bieratz schlechte Laune hat, zeigt er uns wegen Zechprellerei an.
    Ich nehme es alles auf meine Kappe, tröstete Gäntschow, aber nun los! Mit sechzig Pfund Hechten laufen wir zwei Stunden bis Tütz.
    Bei den Fischkästen müßt ihr aber leise sein, verlangt Hundertmark. Wenn meine Frau merkt, wir wollen nach |505| Tütz und noch dazu zur Mittagsstunde, wo sie das Essen fertig hat, dann läuft sie heulend so lange hinter uns her, bis ich es satt habe und umdrehe. Und die Hechte müssen dann auch wieder mit umdrehen. Und recht hat sie ja eigentlich, Herr Gäntschow. Denn was Sie wollen, ist völlig verrückt.
    Na, laß man sein, Hundertmark, sagte Haase und schnüffelt, aber nicht kummervoll, sondern wie der Raut-Hund, wenn er was wittert. Du kommst ja auch ganz gerne mit, wenn Herr Gäntschow den Kopf dafür hinhält. Du hast doch sicher auch schon davon gehört, daß der Bieratz wieder eine neue Mamsell hat. Und die soll ja nun ein solches Muster sein, daß der ganze Gesangverein »Harmonie« aus dem Takt kommt, wenn sie nur die Biergläser hinstellt.
    Also, ich gehe jetzt jedenfalls los, erklärte Gäntschow und strich sich Sand und Heidekrautstengel von den Kleidern, und wegen der Fische brauchen Sie sich nicht zu bemühen, Hundertmark, die hole ich mir alleine, und die trage ich mir auch alleine. Und das Geld behalte ich auch ganz gern für mich alleine.
    Damit ging er los, denn wo die Fischkästen lagen, das wußte er, und wie er zu ihnen kam, ohne vom Forsthaus gesehen zu werden, das hatte er sich auch schon überlegt.
    Die beiden Männer aber, Hundertmark und Haase, sahen einander bedeutungsvoll an, und Haase sagte schnüffelnd: Da geht er hin! Und du kannst Gift darauf nehmen, Hundertmark, daß er keine drei Minuten mehr auf uns wartet. Denn wenn der was im Kopf hat, so sitzt es, und keine hundert Pferde bringen ihn davon ab. Und dabei ist es bei ihm auch noch immer so, als wenn er das ganze Leben wie einen Witz nähme. Wie der Mann aber mit solcher Auffassung so alt geworden ist, das bleibt mir ewig ein Rätsel. Wir werden es ja heute abend wieder erleben. Und da er meine Frau kleingekriegt hat, wird er auch den Bieratz kleinkriegen. Aber wir beide haben nur aufzupassen, daß wir genug eingeschenkt kriegen und daß wir beim Löhnungsappell noch zählen können.
    |506| Darüber waren sie nun auch beim Bootssteg angelangt und sahen ihren Gäntschow, wie er schon mit dem Fangnetz im Fischkasten herumfuhrwerkte.
    Lassen Sie mich das man machen, Herr Gäntschow, sagte der Förster mißbilligend, wir die Arbeit und Sie die Verrücktheiten. Na, ich freue mich jedenfalls schon auf meine Frau heute abend.
    Es war aber nicht Abend, als Christiane wieder etwas von den Männern merkte, sondern es war schon Nacht. Nein, es war auch schon nicht mehr Nacht, sondern es war schon beinahe Morgen, und ein erster, rötlicher, lichter Streif erhellte den östlichen Himmel.
    Sie war wachgeworden von irgendeinem scheußlichen Geräusch, und nun lag sie da – »Lüttekind und ich«, wie sie jetzt so gerne von sich sagte –, lag sie da und überlegte, ob das Geräusch noch in ihren Traum gehörte, oder ob es

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