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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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heißt. Sein großer Getreidesilo mit Elevatoren und Exhaustoren für Schiffs- und Bahnverladung steht ragend wie ein amerikanischer Wolkenkratzer am Stralsunder Hafen. Und Herr Schöning ist ein großer Kaufmann, derart, daß er nur mit Rittergutsbesitzern Geschäfte macht. Die vom Vater ererbte Bauernkundschaft |532| hat er vorsichtig und zielbewußt als »Läpperkundschaft« aus dem Hause gedrängt.
    Der noch junge Herr Schöning ist ein studierter Mann. Er hat seinen Doktor, ist Nationalökonom, aber davon macht er keinen Gebrauch. Er ist einfach Herr Schöning. Er geht bei den Großgrundbesitzern zur Jagd. Das genügt ihm. Gäntschow hat, trotzdem er nur ein Bauer ist, im vergangenen Jahr ein paarmal mit ihm Geschäfte gemacht. Wendland hatte ihn dahin empfohlen. Und diese ihm neue Art, Geschäfte zu machen, ohne Handelei, hatte ihm gefallen.
    Die Mühlen zahlen jetzt für Weizen das und das, sagte Herr Schöning am Telefon. Soundsoviel will ich verdienen. Bleibt soundsoviel für Sie. Würde Ihnen das recht sein?
    Johannes Gäntschow, der zwei Nächte in keinem Bett geschlafen hat, der sich seit drei Tagen nicht rasiert hat, und der sich zum letztenmal gewaschen hat, als er sich die Tränen auf Warderhof abwusch, wird nicht ohne Schwierigkeit von den jungen Leuten in das Privatkontor des Chefs gelassen. Mit seinem hageren, stoppligen Gesicht, den großen, finster glühenden Augen, dem zerknitterten Anzug sieht er ziemlich nach »Wilder Mann« aus und überhaupt nicht nach Großgrundbesitzerkundschaft.
    Aber er kommt vor. Er haucht diese Herrchen an, daß sie erbleichen. Und Herr Schöning selbst ist ein viel zu selbstbeherrschter Mann, um irgendwelche Verwunderung zu zeigen. Lang und semmelblond, sehr gepflegt, sehr englisch sitzt er in seinem Sessel. Er nimmt seinem Besucher auch alle Erklärungen ab:
    Ich weiß Bescheid, sagte er. Sie ahnen sicher nicht, was die Fiddichower klatschen.
    Er betrachtet eindringlich und lange seine Fingerspitzen und fragt plötzlich: Verkaufen möchten Sie den Hof nicht? Nein.
    Natürlich, sagt Herr Schöning, ich bitte um Entschuldigung.
    Er seufzt leise und denkt dann weiter nach.
    |533| Ich will mir den Fall überlegen, sagt er abschließend. Hypothekenkredite vergebe ich natürlich nicht, und Kontokorrentkredit würde viel zu teuer für Sie. Fünftausend sind natürlich Unsinn, verzeihen Sie. Fünftausend sind rausgeschmissenes Geld. Sie müssen zwanzigtausend, vielleicht sogar dreißigtausend haben. Aber das lohnt sich nicht für mich, bei einem so kleinen Objekt.
    Also eine Absage, sagt Gäntschow und steht auf.
    Neunzig Prozent Absage, erklärt Herr Schöning, aber die zehn Prozent gibt es doch. Es flattert immer mal Geld in der Welt herum, das eine gute Anlage sucht. Ich werde darüber nachdenken. Sagen wir in vierundzwanzig Stunden endgültiger Bescheid. Sie wohnen in Warder?
    Ich komme vorbei, sagt Gäntschow und verabschiedet sich.
    Herr Schöning tut ein übriges. Er steht auf und sieht seinem Besucher nach. Der große, starke Mann dort unten geht mit räumigen, festen Schritten, ohne sich umzusehen, die kleine Gasse hinauf. Kein schlechtes Pferd, denkt Herr Schöning. Aber der andre Tip ist vielleicht noch besser. Er läßt sich mit Kirchdorf (Fiddichow) Nummer eins verbinden.
    Unterdes geht Gäntschow zur Bahn. Er setzt sich wieder in einen Zug. Er fährt für fast sein letztes Geld wiederum Christiane näher. Aber wiederum fährt er nicht zu Christiane, sondern er fährt nach Grimmen. Die Stadt Grimmen ist die Heimat seiner Frau Elise, geborenen Schütt. Er hat die Absicht, sich nach Elise umzusehen, festzustellen, ob nicht wenigstens etwas von all dem Geld übriggeblieben ist. Dann wird er es ihr und dem Jüngling abnehmen, notfalls mit Gewalt.
    Sonst ist er aber nicht mehr sehr gewalttätig im Hinblick auf seine Frau gestimmt. Es geht jetzt um den Hof. Elise ist ganz am Rande seines Daseins, etwas ohne alle Wichtigkeit. Ein Schöning ist tausendmal wichtiger als das kleine Huhn Elise.
    Trotzdem hat Gäntschow, in Grimmen angekommen, das Bedürfnis, sich vor der kommenden Auseinandersetzung etwas zugute zu tun. Er trinkt in einer Gastwirtschaft langsam |534| und mit Genuß auf seinen Äpfel- und Brotmagen drei große Kognaks. Dazu raucht er eine dicke, schwarze Zigarre. Er erfährt, daß seine Schwiegermutter im Grünen Grunde vor der Stadt in einer Villa wohnt, und macht sich dahin auf den Weg.
    Wie das so in kleinen Orten ist: weder Vorgarten noch Haus sind

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