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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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albern! Max, binde dir deinen Schlips ordentlich – ununterbrochen kommandieren. Es war doch, als wollte sie alles auf einmal nachholen, was sie bei Ihnen versäumt hat. Auch in meinem Haushalt war ihr nichts recht. Mama, Samtportieren hat man nicht mehr. Mama, zum Tee gibt man nicht Milch, sondern Sahne. So macht man es zum Beispiel auf Schloß Fidde. – Denken Sie sich so was aus, Schwiegersohn!
    Sie sah ihn funkelnd an.
    Vollkommen durchgedreht, sagt Gäntschow, und ein leises, bekümmertes Gefühl über das, was er zerstört, beschleicht ihn. Arme Elise – wenn du nun schon mit deinem einen ärmlichen Teebesuch auf Fidde prahlst …!
    Nun, sagt die Schwiegermutter zufrieden, in vierundzwanzig Stunden waren sie natürlich wieder fort. Dafür habe ich gesorgt.
    Und wo sind sie jetzt? fragt Gäntschow.
    |537| Lieber Schwiegersohn, sagt die Alte, was hat es für einen Sinn? Sie schreibt schon, sie müssen sich jetzt einschränken. Und wenn sie sich erst einschränken, werde ich ihr wohl bald das Reisegeld schicken müssen. Aber nur ihr, das schwöre ich Ihnen, nur ihr!
    Ich gehe hier nicht eher aus der Küchentür, sagt Gäntschow hartnäckig, bis ich die Adresse weiß.
    Sie lernen auch nichts mehr in Ihrem ganzen Leben, sagt Frau Schütt eifrig. Aber schön. Wenn Sie mir fest versprechen wollen, es gibt keinen Mord und Totschlag …
    Nicht die Spur, sagt Gäntschow.
    Also dann! sagt sie. Tutzing, Oberbayern, Villa Erika.
    Oberbayern ist bitter, sagt Gäntschow und klappert mit seinen letzten Groschen in der Tasche. Da will ich man lieber nach Fiddichow fahren. Guten Morgen.
    Er steht überraschend auf und geht auch schon aus der Tür.
    Halt, halt, sagt die Alte. Sie wollen doch nicht etwa so weg? Jetzt geht gar kein Zug nach Stralsund. Erst essen Sie mal Mittag mit uns. Und dann gebe ich Ihnen ein Badetuch, und Sie waschen und schrubben sich gründlich. Und von Elises Vater ist auch noch Rasierzeug da – unterdes mache ich Ihren Anzug sauber und bügle ihn. Sie sehen ja mal wieder aus!
    O Gott, klagt Gäntschow, und so was schreit nun Mord und Überfall. Auf keinen Feind kann man sich mehr verlassen.
    Geld kriegen Sie natürlich keinen Pfennig von mir. Na, so weit kennen Sie mich schon. – Übrigens bei Geld fällt mir ein: Alimente zahlen Sie der Elise natürlich nicht, trotzdem Sie schuldig geschieden werden. Sonst kriegt das Mädel nur neue Einbildungen in den Kopf.
    Ach, Schwiegermamama, seufzt Gäntschow, warum sind Sie nicht dreißig Jahre jünger? Sie wären gerade die rechte Frau für mich.
    Na sehen Sie, sagt die Alte triumphierend und strahlt über das ganze Gesicht. Das habe ich mir ja doch gedacht, und |538| darauf habe ich die ganze Zeit schon gelauert, daß es mit der neuen auch wieder nichts ist. Aber wenn ich wirklich dreißig Jahre jünger wäre, dann würde ich mich schönstens für Sie bedanken. So ist es nun mal mit Ihnen, lieber Schwiegersohn, die Sie kriegen, können Sie nicht gebrauchen, und die Sie gebrauchen können, die kriegen Sie nicht. Da ist es schon besser, Sie bleiben allein und schlagen sich allein die Welt kaputt. Es ist gewissermaßen anständiger, Schwiegersohn.
    Und sich zur Tochter umdrehend: Los, Linda, hol aus dem Keller ein Glas mit Rippenbraten, drei Pfund, der Mann ist ja ganz ausgehungert. Und dazu machen wir frischen Wirsing – mögen Sie so was –?
    So was mag ich, sagt Gäntschow, und nun geben Sie mir mal ’ne Tasse Milch und einen Kanten Brot, sonst fällt Ihnen noch der Mörder in Ihrer Küche um, und Sie haben die Scherereien.
    Am Abend ist Gäntschow auf der Walze nach Stralsund. Seine Groschen reichen nicht mehr für die Bahn. Nachts wird er auf irgendeinem Strohhaufen übernachten, trotzdem das dem Glanz des frisch gebügelten Anzugs nicht dienlich sein wird. Was von Stralsund aus sein wird, weiß er noch nicht so recht. Die paar Groschen für die Fähre nach Rügen rüber hat er noch, und dann muß er eben sehen, wie er sich zu Fuß durchschlägt, ganz wie in den alten Holland-Tagen. Komisch, er hat einen leichten Horror davor. All die Unbequemlichkeiten, die ihm bevorstehen, schrecken ihn etwas. Er ist knapp fünfzehn Jahre älter seitdem geworden, er ist dreiunddreißig. Das ist kein Alter. Aber die letzten Jahre haben ihn bequem gemacht.
    Das muß alles wieder anders werden, sagt er sich. Na warte, Junge, wenn du erst in Warder wieder selbst anfassen mußt, du sollst dich wundern. Und zu dem englischen Herrn, dem Schöning, gehe ich auch nicht. Meinen

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