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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Weißkohl, gerade das Rechte für die Sauerkrautfabriken in Stralsund. Trotzdem es noch recht früh dafür ist, hat der Kohl schon schöne Köpfe gebildet. Man sieht jetzt schon, es wird ein Prachtkohl.
    Richtig, das ist eine Idee. Er hat den passenden Boden dafür. Er kann gut dreihundert Zentner Kohl vom Morgen ernten, sagen wir ganz vorsichtig sieben Mark für den Zentner, das sind rund zweitausend Mark vom Morgen. Rechnet er dagegen Kartoffeln hundertsechzig Zentner zu eins fünfzig, mehr bringen sie hier nie, macht zweihundertvierzig Mark. Er pfeift langgezogen vor sich hin.
    Da ist etwas Herrliches, etwas, das ihn vorwärtsbringen kann. Er wird nicht mit zuviel anfangen, zehn Morgen vielleicht, oh, Mann Gottes, zweitausend Mark macht zwanzigtausend Mark, ein Vermögen, ein Schatz! Wohlgefällig sieht er auf das Kleinleutestück, das sich über seinen Feldrain geschlichen hat. Er träumt davon, wie es sich ausbreiten wird. Er sieht den Schlag bestanden, Kopf an Kopf … Oh, wie ungeduldig er ist, das wirklich zu sehen. Gewiß, für dies Jahr ist es zu spät. Gewiß, die zweitausend, zwanzigtausend fallen einem nicht in den Schoß – er braucht mehr Dünger, mehr Anspannung, viel mehr Löhne, er muß sich die Pflanzen selbst ziehen … Aber das ist eine Frage des Betriebskapitals, und das wird er sich nun verschaffen.
    Nein, sagt der kleine verwachsene Kantor Bockmann, ich bin immer dagegen gewesen, daß dein Vater dich zum Superintendenten in den Unterricht gegeben hat, Johannes. Gewiß, |528| gewiß, Herr Marder in allen Ehren, trotzdem du ja sicher weißt, daß er jetzt in der Stralsunder Heilanstalt ist … Aber er wird ja nicht mehr heil. Es ist Altersschwachsinn. Die Ärzte nennen es
dementia senilis

    Also wie ist es mit dem Kredit bei Raiffeisen? fragt Johannes den Vorsitzenden der Genossenschaft.
    Es geht nicht, Johannes. Der Bucklige bewegt die Schultern. Ich könnte dir etwas vorreden, dich einen Antrag stellen lassen und in der Sitzung dann dagegen sprechen, ohne daß du etwas davon erfährst. Aber ich sage dir jetzt gleich: ich werde dagegen sein. Ich bin vor ein paar Wochen über deinen Hof gegangen. Nun ja, du sagst fünftausend Mark, »nur« fünftausend Mark – … Gewiß, ich gebe zu, dem Wert des Hofes entsprechend ist das gar nichts. Aber für die Genossenschaft ist es viel Geld. Es würde nicht eine Stimme dafür sein.
    Ich werde jeden Pfennig von dem Geld in den Hof stecken. Es sind ja dann die Gegenwerte da.
    Gegenwerte, Hannes, man hat es doch gesehen. Grade auf deinem Hof hat man es erlebt. Ackerwagen, schöne, vierzöllige Rüstwagen – weggegangen mit fünfzig Mark. Vierjährige frisch melkende Kühe, Wert vierhundert Mark – verschleudert mit zweihundert. Es war ja, als brennte es denen auf den Fingern, so eilig hatten sie es mit dem Verkauf. Nein, Johannes, mit den Gegenwerten auf so einem Hof sieht es nur schlecht aus.
    So etwas kommt nicht wieder vor, sagt Johannes. Ich gehe nicht wieder runter vom Hof.
    Nimm di nix vör, denn sleit di nix fehl, sagt man, Hannes.
    Also unter keinen Umständen?
    Unter keinen Umständen, sagt der Bucklige und sieht Gäntschow freundlich an.
    Es ist nicht weit vom Schulhaus zur Bahn. Gäntschow erreicht noch den Abendzug nach Bergen. Er sitzt in der Bahn und überlegt hin und her. Immerhin ist es die erste Begegnung mit solchen Dingen in seinem Leben. Bisher war immer |529| Geld da, wenn er es brauchte. Oder er konnte ohne Geld auskommen. Dieses Mal, zum erstenmal, stemmt sich alles gegen ihn. Den alten Wilms mag er gerne, aber schon da war es schwer erträglich. Doch noch vor einem Jahr hätte so ein Schwachkopf wie der Kantor Bockmann ihm kommen sollen – ach, sie hätten es einfach nicht gewagt! Und jetzt? Ja, er erträgt es. Er erträgt es zähneknirschend, voll Wut, aber er erträgt es, denn der Hof muß gerettet werden.
    Er zweifelt keinen Augenblick daran, daß er es schaffen wird. Aber bis dahin muß er durchhalten. Er muß sich den Menschen fügen. Ihr eingebildetes, albernes Geschwätz ertragen – um des Geldes willen. Dies Geld, das er früher verachtet hat, das er für nichts angesehen hat. Ach, es ist auch jetzt das gleiche geblieben. Es hat sich nicht verwandelt, es ist Mist, Dünger, Verrottetes, das dem Hof neue Kraft geben soll, darum muß er es haben: Geld an sich ist nichts.
    Es ist unbegreiflich, daß sie sich seinem Willen nicht fügen, es ist Frechheit, daß sie sich weigern, ihm zu glauben, wenn er versichert, so etwas

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