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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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abgeschlossen, Gäntschow steht plötzlich wie ein Geist in der Küche, mit seinem grünen Filz, dem zerknitterten Anzug, dem dicken Stock und der dicken Zigarre – und die glühenden Augen hat er dazu.
    Schwiegermutter und Schwägerin haben beide in der Küche herumgewirtschaftet, sie starren ihn erbleichend an wie ein Gespenst, und dann stürzen beide an das Fenster und schreien hinaus: Hilfe! Überfall! Mörder!
    Gäntschow rückt sich einen Küchenstuhl vor die Tür, damit sie nicht ausreißen können, und hört sich das Gezeter an. Es ist natürlich vollkommene Hirnlosigkeit, dieses Schreien, Frauenart, Hühnerart, denn die Villen im Grünen Grunde liegen vollkommen isoliert. Die Frauen sehen das auch ein, am ersten die Schwiegermutter, sie geben das Schreien auf und drehen sich langsam nach ihm um.
    Gehen Sie aus meiner Küche, sagt die Schwiegermutter etwas hilflos.
    Wo ist Elise? fragt Gäntschow.
    Eine komische Frage für einen Ehemann, sagt die Schwägerin spitz.
    Ehen sind eine unübersichtliche Sache, sagt Gäntschow gemütlich. Sie sind immer gegen mich gewesen, Schwiegermamama, aber ich bin auch immer gegen mich gewesen.
    Er sitzt da und sieht die beiden an.
    Sie sollen weggehen, protestiert die Schwiegermutter schwach. Ich will nichts mit Ihnen zu tun haben.
    Ich gehe sofort, sobald Sie mir gesagt haben, wo ich Elise finde. – Ist sie etwa oben? fragt er und deutet mit dem Kopf nach der Decke.
    Sie werden doch nicht glauben, sagt die Studienrätin mit dem Zwicker empört, daß wir mit ihr in einem Haus zusammenleben?! |535| Dazu ist uns unser guter Ruf doch zu schade. Asphaltmoden machen wir nicht mit.
    Danke, sagt Gäntschow höflich. Und dann: Hören Sie mal zu, Schwiegermamama …
    Lassen Sie doch das schreckliche Wort, Johannes, ich bin für Sie nur Frau Schütt.
    Schön, schön, gnädige Frau, sagt Gäntschow, ganz wie Sie wollen. Aber passen Sie auf: Ihre liebe Tochter Elise hat mir ungefähr zwanzigtausend Mark geklaut. Davon will ich mir wiederholen, was noch übrig ist. Geben Sie mir die Adresse, mache ich es ganz still und sachte, ohne daß Ihrer Tochter was geschieht. Aber wenn Sie sich weigern, gehe ich schnurstracks von hier zur Polizei, erstatte Strafanzeige, und in einer halben Stunde haben Sie die Polizei zur Haussuchung hier.
    Johannes, sagt Frau Schütt bittend, ich …
    Laß dich doch nicht bluffen, Mama, sagt die Studienrätin, es gibt gar keine Strafanzeige und Haussuchung, denn unter Eheleuten gibt es keinen Diebstahl.
    Kieke da, sagt Gäntschow verblüfft. Daran habe ich noch gar nicht gedacht. Da haben Sie vollkommen recht. – Er überlegt. Nun, sagt er, wie zu sich, wenn ich erst einmal weiß, wo sie wohnt, komme ich schon zu meinem Recht.
    Johannes, sagt Frau Schütt ernst und geht auf ihn zu, haben Sie Elise geschlagen?
    Feste, sagt er, mit Knüppeln und mit Stangen.
    Und haben Sie sie, als sie das Kind erwartete, gezwungen, Fenster zu putzen auf der glatten Fensterbank?
    Aber natürlich, sagt Gäntschow. Hinterher hat sie noch aufs Dach steigen müssen und die Schornsteine fegen.
    Na also, sagt Frau Schütt sehr befriedigt, ich hatte vollkommen recht, als ich gegen die Heirat mit Elise war. Elise versteht nie im Leben Ironie und nimmt alles für bare Münze. Noch nie hat sie einen Witz kapiert. Aber ich bin jetzt doch sehr beruhigt, daß alles bloßes Geklatsche ist – soviel verstehe ich nun doch von Menschen.
    |536| Oh, ich hätte sie auch geschlagen, sagt Gäntschow nachdenklich, wenn es grade so gepaßt hätte. Nur, ich schlage ja überhaupt nicht gern.
    Sie haben einfach nicht zusammengepaßt, sagt Frau Schütt. Für Elise ist es natürlich schlimm, denn sie begreift nichts von allem und tut, was sie tut, aus purem Trotz und Verzweiflung. Nun, wenn sie das mit dem Bengel durchgemacht hat, darf sie wieder hierherkommen. Ich nehme die Scheidung in die Hand, Sie machen keine Schwierigkeiten, natürlich nehmen Sie alle Schuld auf sich. Dann kann sie wieder Lehrerin werden, sitzt irgendwo auf dem Lande, und in fünf Jahren ist sie ganz glücklich über ihrer dämlichen Briefekiste, als verlassene Frau.
    Sie ist und bleibt eben ein Dummchen, sagt Linda mit dem Zwicker nachdrücklich.
    Und wo ist sie jetzt? beharrt Gäntschow.
    Stellen Sie sich vor, Johannes, sagt seine Schwiegermutter empört, sie ist doch hier wahrhaftig mit ihrem Jüngling angerückt gekommen und wollte bei mir einziehen. Und wie verändert sie war! Max, faß dir nicht ins Gesicht! Max, lache nicht so

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