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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Gäntschows Acker heißt das jetzt!
    Er hielt wieder inne, er bezwang sich, aber seine schmalen, langen Lippen zitterten.
    Dein Vater ist auch manchmal schlimm gewesen, sagte er dann. Dein Großvater ist später, als die Justine ihm starb, ein bißchen überspöhnig geworden – aber ihre Arbeit haben sie |525| gemacht, jederzeit, so gut sie grade konnten. Sie haben den Hof nicht im Stich gelassen!
    Ich habe keine Ahnung gehabt, was hier in den acht Monaten vorgegangen ist, sagte Gäntschow finster.
    Rede dich darauf raus! schrie der Gemeindevorsteher, das habe ich schon einmal von dir gehört. Und wer hat die Vollmacht unterschrieben für den Lumpen, den du auf den Hof gesetzt hast? Du wohl nicht, nein?
    Der Mann war gut empfohlen. Um so schlimmer.
    Um so schlimmer für dich. Man führt die Menschen nicht in Versuchung. Man setzt nicht junge Bengels auf einen Hof und kümmert sich nicht um sie. Man läßt sie nicht allein zusammenhausen mit einer Frau, die man geschlagen und mißhandelt hat und die nur noch an Rache denkt.
    Ich habe Elise nie geschlagen! ruft Gäntschow.
    Dann lügen die Leute, sagt der Gemeindevorsteher, aber du wirst ihr auch so genug Herzeleid angetan haben, daß sie dir zur Rache den dummen Bengel verführt hat und in den Ehebruch geraten ist. Aber freilich, was macht dir Ehebruch?
    Vadder Wilms! ruft Gäntschow drohend.
    Ja, freilich, das willst du nicht hören. Das sind die großen Herren, für die gelten die Gebote und Gesetze nicht. Da fährt man in der Welt herum mit anderer Leute Frauen, läßt den eigenen Hof verkommen, und wenn’s einem gesagt wird, wie’s ist, dann will man’s nicht anhören.
    Der alte Mann sagt plötzlich ganz ruhig: Ich hab oft gedacht, es heißt ja nicht umsonst, daß man bei einer Frau schläft. Man schläft ja nicht bei ihr, aber die Frau ist nur für die Nacht da, das heißt es. Für den Tag haben wir unsere Arbeit.
    Er steht wieder eine Weile still. Der Mann am Ofen benagt seine Lippen mit den Zähnen. Der alte Wilms hat recht mit dem, was er von den Frauen sagt. Er hat überhaupt mit allem recht.
    Was willst du hier eigentlich? fragt der Gemeindevorsteher.
    |526| Ich wollte dich um etwas Hilfe bitten, sagt Gäntschow zögernd. Ich will den Hof wieder in Gang setzen.
    Hast du Geld? fragt der Gemeindevorsteher dagegen. Du brauchst, wenn es ganz wenig ist, fünftausend Mark. Es ist nicht so viel wie ein Hackenstiel auf dem Hof.
    Nein, ich habe nichts, sagt Gäntschow.
    Du bekommst kein Geld von mir, sagt der Gemeindevorsteher kurz und greift wieder nach seinen Papieren.
    Weißt du, wohin meine Frau ist? fragt Gäntschow zögernd.
    Nein, und ich will es auch nicht wissen, sagt der alte Mann, wohin sie mit dem Lump ist.
    Er sitzt schon wieder am Tisch und hat die Feder in der Hand.
    Die hast du auch auf dem Gewissen, Hannes. Vielleicht war wirklich nicht viel mit ihr los. Und eine Bauernfrau war sie sicher nicht. Aber was für ein lütt gut Mäten war das mal.
    Er hat den Kopf vorgebeugt und fängt an zu schreiben.
    Dreihundertachtzig Mark Gemeindesteuern sind auch noch rückständig. Lange warte ich nun nicht mehr mit der Zwangsbeitreibung.
    Gäntschow sieht noch einmal auf die beim Schreiben hochgezogenen Schultern in der grauen Joppe. Er will noch etwas sagen, begreiflich machen, daß jetzt alles anders werden wird, aber dann versteht er den alten Bauern doch zu gut, und er geht leise, ohne ein Wort, aus der Stube.
    Draußen ist noch immer schöner, strahlender Sommertag. Es ist nicht viel Zeit vergangen, und es ist auch nicht viel vorgegangen. Ein Mensch hat abgelehnt, ihm zu helfen. Das wird ihm noch oft so gehen in diesen Tagen, aber es macht nichts. Er wird so lange suchen, bis er Hilfe hat. Geld hat, heißt das. Und dann wird er es ihnen allen zeigen! Er wird den Hof so in Ordnung bringen, daß sie staunen sollen, aber die alten Bäume werden nicht zurückkommen, spricht eine traurige Stimme in ihm.
    Es wird Leben herrschen auf dem Hof, Blühen, Gedeihen |527| und Vorwärtskommen, – aber du wirst allein sein, spricht die traurige Stimme.
    Er kommt einen Feldrain entlang. Auf der einen Seite liegt sein Acker, auf der andern Kirchdorfer Kleinleuteland. Siehe da, die kleinen Leute sind gewachsen. Da ist ein Beet Buschbohnen über den Rain gerutscht und hier ein ganz hübscher Schlag Kohl. Es möchte ihn Zorn fassen. Diese Menschen rechnen schon gar zu unverschämt nicht mehr mit ihm. Aber dann betrachtet er die Kohlköpfe. Es ist ein Winterkohl, ein später

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