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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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ereignet sich nicht wieder – zum erstenmal in seinem Leben braucht er Menschen, und alle versagen. Wenn er erst sein Geld hat, wird
er
sich allen versagen.
    Es ist beinahe sieben Uhr abends, als er in Bergen ankommt. Er hat den ganzen Tag noch nichts gegessen, er kauft sich etwas Brot und Äpfel, er muß seine paar Mark zu Rate halten. Er weiß ja nicht, wie schnell er das Geld bekommen wird. Er steigt zum Rugard hinauf, er sitzt da auf einer Bank und ißt sein gutes Essen, er schaut auf das friedliche Land hinab, es sieht schön aus mit seinen Feldern, Wäldern, Meeresausblick und Bodden. Man möchte beinahe vergessen, daß es ein Land ist, in dem Verrat und Gemeinheit, Kälte und die beiden Geschwister: die sogenannten Haß und Liebe hausen. Er geht lange um den Turm herum, auf und ab, er muß noch die Pest der Liebespaare überstehen. Aber schließlich kann er sich – es hat drunten schon Mitternacht geschlagen – kann er sich in ein Gebüsch legen und schlafen. |530| Der Großbauer Johannes Gäntschow, der Geliebte der ehemaligen Freiin Fidde, der reichsten Frau auf Fiddichow, mit noch siebzehn Mark in der Tasche.
    Auf dem Grundbuchamt am nächsten Morgen geht alles glatt. Er weist sich aus und bekommt seinen Grundbuchauszug. Kostet drei dreißig. Aber es steht auch darin, daß dieser Hof von hundertachtzig Morgen ohne alle Hypotheken ist.
    So weit hat die Vollmacht nun doch nicht gereicht, Elise, denkt er mit grimmiger Befriedigung.
    Auch auf der Kreissparkasse geht alles glatt. Ohne Mühe wird er beim Leiter der Hypothekenabteilung vorgelassen, so und so, ein völlig unbelasteter Hof, eine erste Hypothek von zehn- oder fünfzehntausend Mark.
    Sagen wir zwanzig, sagt Herr Dr. Pfeifer, ist eine schöne runde Zahl. Und Geld kann man immer brauchen, nicht wahr?
    Er lacht. Er sieht schwärzlich und freundlich aus, wie eine Spitzmaus. Und er lacht auch so, wie eine Spitzmaus lachen müßte, findet Gäntschow. Es klappt also mit dem Gelde, denkt Gäntschow erleichtert. Nun wird er es denen weisen. Er hört nur flüchtig die Bedingungen: vierundneunzig Prozent Auszahlung, achteinhalb Prozent Zinsen, ein Prozent Amortisation, einhalb Prozent Verwaltungskosten, Summe zehn Prozent. Es sind die Jahre des Goldstroms aus Amerika, die Hypothek wird also auch Goldmark-Hypothek heißen.
    Ja, es kann sehr schnell gehen. Man kann es vielleicht heute nachmittag noch notariell machen. Darf ich bitte noch einmal den Grundbuchauszug sehen?
    Gäntschow sieht, wie der Dr. Pfeifer plötzlich zusammenzuckt. Er scheint weiter zu lesen. Aber er starrt immer auf eine Stelle. Er tut nur so, als ob er liest, aber er grübelt. Seine Stirn ist so faltig.
    Johannes Gäntschow weiß schon Bescheid. Er könnte sich ebensogut seinen Grundbuchauszug ausbitten, aufstehen und fortgehen. Es hat ihn wieder geschnappt, im letzten Augenblick noch. Die ganze Insel ist voll Geschwätz.
    |531| Sie sind Herr Gäntschow selbst? fragt Dr. Pfeifer behutsam.
    Das sagte ich schon, erklärt Gäntschow.
    Bei der Vorstellung versteht man ja nie Namen, lächelt spitzmäusisch Herr Pfeifer. Und Ihr Hof liegt doch bei Fidde?
    Bei Kirchdorf, sagt Gäntschow.
    Aber der andere steht schon an der Kreiskarte. Da ist Fidde, murmelt er, und da Warder. Na also! Er kümmert sich nicht mehr sehr um diesen Gäntschow. Wissen Sie, sagt er, mir ist eben eingefallen, daß wir in den nächsten Tagen ein paar große Zahlungen zu leisten haben. Sie bekommen dann schriftlich endgültigen Bescheid.
    Ich habe aber Ihre Zusage, Herr Doktor, sagt Gäntschow.
    Meine Zusage? Keine Spur. Ich darf ja gar nicht zusagen. Das hängt ja groß im Schalterraum, daß mündliche Abmachungen ohne schriftliche, doppelt gezeichnete Bestätigung ungültig sind. Nein, nein, sagt er plötzlich wieder lächelnd, Sie bekommen unsern schriftlichen Entscheid schon in den nächsten Tagen.
    Ich nehme an, sagt Gäntschow, daß Ihre heutige mündliche Absage schon bindend und gültig ist, und erlasse Ihnen alle Schreiberei. Guten Morgen, Herr Doktor.
    Er kauft sich wieder Brot und Äpfel. Er setzt sich wieder in einen Zug. Diesmal fährt er nach Stralsund. Er entfernt sich immer weiter vom Warderhof und nähert sich Christiane. Wer da aber glauben wollte, daß er sich Christiane tatsächlich nähert, der irrt sich. Er fährt zu Herrn Schöning.
    Herr Schöning in Stralsund leitet ein großes, vom Vater ererbtes Geschäft, ein Getreide-, Futter- und Düngemittelgeschäft, wie so etwas ein wenig umständlich

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