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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Eisenstuhl mit einem Pappschild: Herzlich willkommen.
    |546| Er muß sich vielleicht entscheiden, wie er das Haus einrichtet. Für Christiane oder für sich. Es ist solch ein Unding – ach was, diese Entscheidung schiebt er noch hinaus! Er kann Christiane sowieso nicht in den Trubel der ersten Wochen hineinnehmen. Wenn Christiane kommt, muß er auch Zeit für sie haben, und die nächsten Wochen hat er überhaupt gar keine Zeit. Morgen oder übermorgen wird er ihr schreiben.
    Er nimmt Hut und Stock und geht eine Weile hinaus in die frische Luft. Er steigt hinunter nach dem Hafen, er geht da umher, im Halbdunkel, über Trossen stolpernd, und starrt nach den Positionslampen der Schiffe, die grün und rot durch die Nacht leuchten. Heute morgen ist er hier herumgelaufen und hat sich etwas zu essen gesucht. Jetzt trägt er vierzigtausend Mark in der Tasche bei sich, lose, in Scheinen, wie es seine Art ist … Man muß das Geld nicht lieben, aber man muß das lieben, was man mit dem Gelde tun kann. Ach, er lebt ja jetzt den herrlichsten Rausch seines Lebens, einen Rausch weit über alle Weinräusche, Liebesräusche hinaus. Sein Scheitel stößt an die Sterne. Seine Hände tun das Werk auf dieser fruchtbaren Erde. Er schafft etwas, nein, er ist der Schöpfer. Aus dem Warderhof wird sein Geschöpf.
    Er schläft tief und traumlos, und am nächsten Tag beginnt es von neuem: Rausch ohne Reue, Tat ohne Zweifel, Arbeit ohne Müdigkeit.
    Er fängt an zu kaufen – oh, die haben gedacht, sie hätten einen Flachkopf vor sich, einen Idioten, dem es nicht aufs Geld ankommt. Sie haben einen Bauerssohn vor sich, selbst einen Bauern. Er geht lachend aus ihren Ställen, spottend über diese Mißgeburten von Kühen, diese Gäule mit abgeschliffenen Zahnkunden, wie aus der Eiszeit. Er läßt sie jammernd und beteuernd hinter sich herlaufen, die Händler. Widerwillig geht er noch einmal in den Stall, sagt ein letztes Wort. Dann ein allerletztes. Geht wieder fort, in gespieltem Zorn. Er wickelt alle heiligen Riten des Viehhandels ab, er zelebriert die Messe des Geldes, und langsam kommt er vorwärts.
    |547| Drei Tage lang kauft er zäh, besonnen, geizig ein. Er will nur das Beste. Aber das Beste will er billig. Er hat unendlich viel zu bedenken, zu disponieren, zu bestimmen. Ehe das Vieh auf den leeren Hof kommt, muß Futter da sein. Ehe das Futter da ist, muß das Gerät da sein, es zu verstauen. Ehe das Gerät da ist, müssen Leute, Arbeiter da sein. Ehe die Leute da sind, müssen Einrichtungsgegenstände, Eßgerät da sein …
    Es muß alles klappen – und er weiß schon, es wird trotzdem gar nichts klappen. Es wird ein wildes Tohuwabohu sein.
    Was aber die Leute angeht, so nimmt er keine Pommern, schon gar keine Rüganer, auch keine Norddeutschen. Er engagiert nur Sachsen und Thüringer. Er distanziert sich von vornherein von der Halbinsel Fiddichow. Er hat genug von seinen Landsleuten. Er wird eine Insel auf der Insel sein, nichts mehr von Nachbarn – aber die sollen ihm kommen! Die werden ihm kommen, blaß, grün und gelb vor Neid, demütig – kennt er sie denn nicht, kennt er die Menschen etwa nicht?!
    Nein, dieses Mal kein Reitpferd, aber dafür fünf tüchtige Zugpferde im Stall, fünf Rappen, fast gleich aussehend mit ihrer weißen Blesse und ihren weißen Strümpfen – ein Gespann, das auffällt. Sie sollen sagen: Da fährt der Gäntschow aus Warder. Er will sich ihnen einhämmern, nein, er will nicht vergessen werden. Er will sie immer wieder an sich erinnern. Sie sollen an ihn denken, diesen Schandfleck der Insel, diesen Dorn im Auge, dieses Wundmal.
    Jawohl, jawohl, er wird auch Christiane zu sich nehmen, auch dadurch sollen sie an ihn denken. Er wird ihnen nichts ersparen, sie werden ihn ertragen müssen, sie werden am Ende alle, alle kuschen.
    Er trifft mit einem Abendzug auf Fiddichow ein. Er hat schon drei oder vier Leute mitgebracht, einen Wagen voll Hausgerät, einen Plattenwagen, den man diesen ersten Tag schieben kann. Wie der kleine Bahnbeamte devot die Hand |548| grüßend an den Mützenrand legt, als er Gäntschows ansichtig wird, weiß der schon, die Kunde ist ihm von Stralsund vorausgeeilt: zum mindesten ist er der Mann, der gegrüßt werden muß.
    Sie fangen sofort an mit Ausladen. Sie laden den Plattenwagen halb voll und schieben ihn an dem Mühlenberg vorbei, dem Hof zu …
    Da liegt Warder unter dem geröteten Abendhimmel, still und schweigend und verlassen – es ist kaum auszudenken, daß es all diese Tage

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