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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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hier so still und schlafend dalag, während solches Leben für es brauste. Aber nicht ganz schlafend – sie schieben den Wagen durch die Einfahrt, und in einem Zimmer brennt Licht. Eine dürftige Kerze brennt dort hinter den Scheiben.
    Einen Augenblick hält Gäntschows Herzschlag an. Dann ruft er seinen Leuten zu: Da! Vor das Haus hin! und läuft ihnen voran, über den Hofplatz, die Stufen hinauf …
    Elise, denkt er, Christiane, denkt er.
    In seinem Arbeitszimmer liegt auf Stroh ein Mann, in Kleidern, und schläft. Gäntschows Erregung läßt nach. Lächerlich, sich so aufzuregen – hat er nicht beinahe Angst gehabt vor der Störung, die eine Frau jetzt in seine Arbeit gebracht hätte? Ein unbekannter Mann – irgendein Stromer und Penner, der die Gelegenheit des verlaßnen Hauses erspäht und sich hier eingerichtet hat.
    Gäntschow hört den Plattenwagen vor das Haus rollen und stößt den Mann kräftig mit dem Fuß an. Heh! Sie! Mann! ruft er befehlend.
    Der Mann richtet sich langsam auf. Er sieht ihn verschlafen an. Es ist sein Wirt, es ist Herr Haase.
    Was machen Sie denn hier? fragt er verblüfft.
    Sind Sie doch gekommen? fragt Herr Haase. Seit drei Tagen warte ich hier auf Sie. Heute nacht wollte ich nun fahren. Ich dachte, Sie kämen nicht mehr.
    Wir kommen immer wieder hierher, sagt Gäntschow. Aber was wollen Sie hier?
    |549| Die Leute fragen: Wo sollen wir das hinsetzen, welche Kisten sollen zuerst aufgemacht werden? Wie kriegen wir Licht? Er antwortet, er ordnet an, er kommt zurück.
    Einen Brief haben Sie von meiner Frau? Geben Sie her!
    Er nimmt ihn und muß hinter dem Licht herlaufen, das sich die Leute geholt haben. Zwischen Hammerschlägen, Geschwätz, Zurufen, liest er: Lieber Hannes! Es geht um den Hals. Deine Christiane.
    Was für ein Unsinn. Soll er sich jetzt noch etwas überlegen – als wenn man es nicht geahnt hätte, daß sie ihm immer dazwischenkommt bei seiner Arbeit.
    Er sieht böse auf seinen ehemaligen Wirt Haase, der mit schuldbewußt gesenktem Kopf vor ihm steht.
    Was ist los mit meiner Frau? fragt er.
    Nichts, sagt Herr Haase, Frau Gäntschow ist ganz in Ordnung. Nein, nein, schreit Gäntschow wütend. Zuerst die Kiste mit den Glühbirnen, damit wir Licht haben. Zu essen kriegt ihr schon früh genug. – Na also, warum schreibt sie denn so was?
    Er tut, als müßte Haase wissen, was in dem Brief steht. Einen Augenblick, bittet Herr Haase, immer noch mit derselben schuldbewußten Miene.
    Ich habe keine Zeit, sagt Gäntschow ungeduldig. Sie sehen doch selbst, daß ich hier nicht weg kann. Reden Sie sich aus, was ist los? Um alles in der Welt, was ist los?
    Haase sieht ihn mit seinen großen, kugligen Augen vorwurfsvoll an. Dann macht er sich langsam daran, den Schal, den er um den Hals trägt, zu lösen. Er schielt dabei scheu nach den Leuten.
    Da! zeigt er.
    Und schluckend, wie um Verzeihung bittend: Ich hatte mich aufgehängt, und die gnädige Frau hat mich gerettet.
    Gott sei’s getrommelt und gepfiffen:
Ihr
Hals ist das, sagt Gäntschow unaussprechlich erleichtert. Mann Gottes, was machen Sie für Sachen. Warum denn in aller Welt! Nun, Sie werden es mir schon erzählen. Jetzt müssen wir erst losarbeiten. |550| Los! Los. Fix, Mann, Sie können auch mit anfassen. Wir müssen noch zwei Fuhren von der Bahn holen. Habe ich doch wahrhaftig gedacht, es ginge meiner Frau schlecht. Na, gottlob – mögen Sie mit anfassen?
    So lange und so doll Sie wollen, sagte der pensionierte Telegrafenbauoberinspektor.
    Und sie fangen an mit dem Einrichten.
    Die Tage vergehen, und die Wochen vergehen. Und Monate werden aus den Wochen. Der Hof wächst und gedeiht. Über die vernachlässigten Felder ziehen die Pflüge ihre schwarzbraunen Furchen, Kultivatoren lockern den Boden auf, Eggen zerreißen das Unkraut, lassen ihm keine Ruhe, werfen es auf die trockene Oberfläche des Ackers. Und sooft es auch wieder versucht, Wurzel zu fassen, immer wieder wird es losgerissen, bis es auf Haufen zusammengerecht, abgefahren und auf den Komposthaufen gebracht wird. Zum Verrotten, Verfaulen, fruchttragend zu werden.
    Es scheint dem Johannes Gäntschow, wenn er diesen Kampf mit dem Unkraut führt, immer mit neuen Listen, Einfällen, Werkzeugen – denn auf die gewöhnliche Weise ist noch kein Mensch der Quecken Herr geworden –, als führe er nicht nur diesen Kampf, sondern als streite er noch für etwas ganz anderes in seinem Leben.
    Da ist nun sein Haushalt in dieser alten Bauernkate, gewiß, er hatte zwei

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