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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Falte zwischen den Augenbrauen an.
    Und vielleicht gehe ich überhaupt zur See wie mein Bruder Alwert, sagte er und brach rotübergossen ab. Sie zogen ihn genug auf mit seinem Bruder Alwert. Was ist eine Syntax? fragte er hastig.
    So ein Buch, aus dem man lernt, wie … begann sie.
    Es war ein Wunder. Sie hatte entschieden keine Ahnung, was sein Bruder Alwert getan hatte. Draußen ertönte rasches Räderrollen auf dem Kopfpflaster des kleinen Marktplatzes vor der Superintendantur.
    Das sind unsere Pferde, rief sie rasch und lief ans Fenster. Er stellte sich neben sie. Der offene gräfliche Jagdwagen rollte, von zwei Füchsen gezogen, vorüber. Der backenbärtige Kutscher hatte seine kleine Herrin gesehen und grüßte sie ernsthaft, indem er die Peitsche gegen den Zylinder hob.
    Er hat mich hergefahren, sagte sie eifrig. Er fährt mich jeden Morgen her, und mittags holt er mich wieder ab. Siehst du |103| den Fuchs mit der Blässe? Sie sollte voriges Frühjahr fohlen, aber der Tierarzt hat alles verkorkst, und das Fohlen ist an der Nabelschnur erstickt. Die Senta wäre beinahe verreckt.
    Was habt ihr mit ihr getan? fragte er gespannt.
    Papa – sie betonte auf der zweiten Silbe – hat den Tierarzt rausgeworfen und hat ihr einen Liter schwarzen Kaffee mit Kognak gegeben. Sie hatte schon Herzschwäche.
    Der Wagen war längst über den Marktplatz fortgerollt, beide aber standen sie noch am Fenster.
    Ist das dein Papa? fragte er mit kräftigem Ton auf der ersten Silbe, der auf dem Bock?
    Aber nein doch, sagte sie sehr erstaunt, das ist bloß der Kutscher Eli! Und als er noch immer nicht verstand: Ich bin doch die Christiane!
    Er hatte keine Ahnung, wer die Christiane war, aber
wie
sie es sagte, mußte es eine sehr wichtige Person sein, und in ihm dämmerte etwas. Zudem hatte er ihre sehr großen, dunklen Augen ganz dicht vor sich, und er fühlte irgendwas, daß sie nicht nur Christiane hieß, sondern wirklich »die Christiane« war, ganz gleichgültig, was das nun sein mochte.
    Dann gehört dir also der Wagen? Und die Pferde? Und der Kutscher?
    Nein, meinem Papa.
    Und du wohnst auf dem Schloß?
    Er hatte das Schloß immer nur wie einen Märchenpalast durch Busch- und Baumlücken aus weiter Ferne gesehen, denn es lag in einem großen, umgitterten Park.
    Ja, da wohne ich, sagte sie und fing leise an, über den Bauernjungen zu lächeln.
    Da habt ihr wohl so viel Geld, wie ihr wollt? fragte er unerbittlich weiter.
    Das kommt auf die Jahreszeit an, sagte sie. Manchmal sehr wenig, gar nichts. Dann schickt der Rentmeister alle mit ihren Rechnungen weg und Papa ist ewig brummig. Aber nach der Raps- und Weizenernte kann ich mir wünschen, was ich mag.
    |104| Er war nicht sehr zufrieden über diese Auskunft. Geldmangel auf einem Schloß störte seine Illusionen. Und wie sagst du zu deinem Papa? Redest du ihn Herr Graf an?
    O Gott, nein! lachte sie nun hell heraus. Ich sage zu ihm »Nuschelpeter« oder »Armer Einsamer« oder »Alter Greiser«. Er hat furchtbar viele Namen. Meistens sage ich aber einfach Pitt.
    Johannes Gäntschow wurde immer unzufriedener. Ihn befriedigten ihre Antworten gar nicht. Er kam auf den Verdacht, daß sie vielleicht doch nicht die richtige Tochter sei.
    Darfst du denn mit ihm essen? fragte er vorsichtig.
    Natürlich, sagte sie, ich und die Miss und die Mademoiselle essen immer mit Papa.
    Wer sind denn das?
    Das sind meine Erzieherinnen.
    Und warum gehst du dann zum alten Marder, wenn du zwei Erzieherinnen hast? Er war jetzt fest davon überzeugt, daß sie ihn anlog.
    Weil ich richtig aufs Gymnasium soll. Weil ich Pitts Einzige bin und das Gut erben soll. Und Pitt sagt immer, ich kriege doch nur einen Flachkopf, wir Fiddes haben kein Glück im Heiraten. Und dann muß ich die Wirtschaft allein führen können.
    Johannes starrte sie immer fassungsloser an. Sicher war sie eine schreckliche Lügnerin, wenn sie auch mit ihren Augen gar nicht danach aussah. Er bereitete schon wieder eine neue Frage vor, mit der er sie richtig ins Gedränge bringen wollte, als die Tür aufging und Superintendent Marder hereinwutschte. Er rieb sich die kalten, frostroten Hände und sagte eilig: Na, am Fenster? Jetzt ist Schulstunde. Da ist dein Platz, Hannes, los! Bitte, setze dich, Christiane.
    Und sofort begriff Johannes, daß sie doch die Wahrheit gesagt hatte, die ganze Wahrheit, begriff es aus dem verschiedenen Ton, mit dem Marder sie und ihn anredete.
    Na, wie ist es mit
mensa
? fragte der eilig. Los, los,

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